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Beobachter, zu rühmen wußte. Dagegen leidet im Würzburgischen der Hüftenbau des weiblichen Geschlechts unter der schweren Last der Kerben und Butten, welche durchweg auf dem Rücken getragen werden. Namentlich in den Häckerorten wird bei der Zurichtung der Wingerte wie bei der Weinlese der Rücken der Arbeiterin hart mitgenommen. Der Franke ist lebenslustig, heiter, jovial – ein Weinländer trotz seiner zunehmenden Vorliebe für einen kühlen Trunk Braunbiers. Dem Südbayern, den er mehr noch zu übersehen meint, als er ihn wirklich übersieht, ist er weniger leicht zugänglich. Hat er aber das Vorurtheil verwunden, so folgt er seiner natürlichen Anlage, wird zutraulich und mittheilsam, ohne jedoch seinem Anrechte auf ein entsprechendes Maß von Mißtrauen zu entsagen, wie es der gesammten Bauernschaft des heiligen deutsch-römischen Reichs zusteht. Obwohl geweckter als sein Landsmann in Altbayern, ist er doch neuen Ideen gleich schwer zugänglich, in gewisser Beziehung vielleicht noch schwerer, da er für seine Ansicht Gründe aufzufinden weiß. Es fehlt ihm nicht an einer Deduktionsgewandtheit, aber seine Schlüsse formen sich nicht immer nach logischen Gesetzen. Darin liegt wohl auch der Grund, warum der fränkische Bauer sich prozeßsüchtig muß schelten lassen. Er will „sein Racht han“, und wenn’s ihn Haus und Hof kostet oder sein Nachbar darüber zu Grunde geht. Diesen Widerspruch zwischen offenem Kopf und Befangenheit kündet er auch auf religiösem Gebiet an. Er ist freisinnig und bigott je zur Halbscheid und huldigt dem Formendienst in einem Maße, welches nur der Fuldaer überbietet. Der Franke besitzt einen achtungswerthen Grad von Selbstgefühl und Nationalstolz. Es ist, als klänge einem jeden das Wort Ulrichs von Hutten aus dem Munde: Omnis Franco nobilis. Sein Land geht ihm über alles Land, und die Erde trägt kein zweites Würzburg. Er hebt den Kopf nicht nur über den Südländer, sondern selbst über den stammverwandten Rheinfranken.

Wir guten Franken,
Wir loben und danken.
Daß wir nicht sein
Wie die Groben am Rhein.

Der Kurmainzer vergilt diese Meinungsäußerung hinwieder mit dem Sprüchlein:

Die Franken und das böse Geld
Führt der Teufel durch die ganze Welt.“

Über die württembergischen Franken insbesondere urtheilt G. Rümelin (Das Königreich Württemberg. 1863. S. 420): „Dem Schwaben gegenüber fallen an dem württembergischen Franken die gefälligeren Umgangsformen, die weichere und fließendere Rede, die größere Gewandtheit und Lenksamkeit leicht ins Auge. Seiner Geselligkeit ist ein leichterer und fröhlicherer Ton eigen. Es haben sich mehr eigenthümliche Sitten und Gebräuche erhalten, als im Schwabenlande. Kirchlicher Sinn ist dem Franken in gleichem Maße beizulegen, wie dem Schwaben. Die evangelische Kirche hat jedoch daselbst noch reichere Kultusformen und mehr Eigenthümlichkeiten. Der Pietismus und das Sektenwesen sind

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0118.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)