Seite:OberamtMergentheim0043.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

vornehmlich Bischofsstadt; von mächtigem Einfluß auf unsern Bezirk durch das Bekämpfen und Zurückdrängen der Reformation, und Hand in Hand damit in der Kunst durch Wiederaufdrängen des verspäteten gothischen Styls kurz vor dem dreißigjährigen Krieg, dessen Wurzeln hier bloß liegen. Die Stadt mit den Bauten seit ältester Zeit, oft überwuchert durch Werke der Spätrenaissance, des gothisirenden und später antikisirenden Zopfes; mit ihren Domthürmen, Kuppeln, Gärten und Palästen, – unverwüstlich durch Bodenreichthum und Lage, ein echter weithin strahlender Brennpunkt kunst- und kulturgeschichtlichen Lebens.

Eigenthümlich steinig und öd ist dann die Gegend um Wermuthausen, Rinderfeld, Neubronn; alte grasige Straßen und breite Schaftriebe führen hin auf der Hochebene, weit an den jetzigen Ortschaften vorbei und oft bezeichnet durch uralte Baumknorren („Lohstöcke“) oder Steinkreuze, dabei ein Lindenbaum oder eine tiefdunkle verkümmerte Föhre. Auf dem verwahrlosten Weg liegen aus den Feldern herausgeworfene große Felsbrocken, schwarzmoosig, traurig wie Grabsteine, und dazwischen blühen und schwanken schwermüthig die Blumen der Haide, rothe und blaue. Zuweilen kreist ein Raubvogel über den Wiesthälern, die bescheiden einbrechen, – und hier, um reichliche, steinüberwölbte Quellbrunnen[1], sammelten sich die Bewohner und siedelten sich an hinter Graben und Wall; – und inmitten dieser kahlen Ebene greifen plötzlich vielverzweigte obst- und weinreiche Thälchen ein, alte Wallfahrtswege führen von Berg zu Berg, so auf den Berg bei Standorf, wo still über den engen üppigen von murmelnden Bächen durchzogenen Thalrinnen, aus denen der Schlag der Nachtigallen erklingt, einsam die alte im Achteck gebaute Kirche thront, vielfach verdorben, und doch wieder fesselnd durch die feine Schönheit ihrer halbvergangenen Formen.

Eigenthümlich stimmt uns die Gegend um Adolzhausen und Herbsthausen, jenes frühere Schlachtfeld, fruchtbares Land, aber wenig bevölkert und überall die Namen von Markungen abgegangener Weiler, von denen nur noch dann und wann ein in Stein gefaßter Brunnen in stillen Thälchen zu Tage liegt. Oder dann wieder hinaus auf die Wiesenebenen der „Heften“ (bei


  1. So der prächtige Ebertsbronn (im Weiler Ebertsbronn) bei der alten Kapelle, wo die große Linde stand, des Dichters Eduard Mörike Lieblingstrank, wenn er von Wermuthausen, wo er lang bei seinem Freunde Pfarrer Hartlaub wohnte, das Thälchen herabging.
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0043.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)