Seite:OberamtEllwangen 165.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Brautleuten näher Verwandten schenken denselben Federkissen, die mit farbigen Bändern geziert sind und bei Tag auf den Fenstern des Tanzlokals gegen die Straße zum Sehen ausgehängt werden. Nach dem Abendessen macht der Hochzeitlader einen „Spruch“ in Reimen, welcher mit Bezahlung der Zeche und eines Trinkgeldes endigt. Nunmehr wird oft bis nach Mitternacht getanzt.

Das Haushaltungswesen auf dem Lande ist sehr einfach. Der Bauer besorgt die Feldarbeiten mit seinen Knechten, die Bäuerin das Hauswesen mit den Mägden, welche auch die Gärten bepflanzen und pflegen. Es gibt im Oberamtsbezirk Bauern, die über 100 Morgen Güter und Wald haben. Die Rindviehzucht wird insbesondere sehr stark betrieben, manche haben öfters über 40 Stück. Seit mehreren Jahren wird der Pferdezucht auch wieder mehr Aufmerksamkelt zugewendet. In neuerer Zeit fährt der Bauer mit seiner Bäuerin in einem flotten Bernerwagen, die Pferde mit einem besseren Lederwerk geziert, in die Stadt, was früher nur selten der Fall war. Auch hat sich hinsichtlich der Kleidung in 30 Jahren viel geändert. Damals trug der Bauer im Ellwanger Bezirk, mit Ausnahme des Schultheißen, einen langen Zwilchrock, kurze Lederhosen, rothe Tuchwesten mit blanken und, wenn er vermöglich war, mit Silberknöpfen, lange Stiefel und einen Dreispitz, den sog. Wolkenschieber. Jetzt ist es anders. Näheres s. unten bei der Volkstracht.

Anklopfet. An den drei letzten Donnerstagen vor Weihnachten ist die sog. „Anklopfet“, welche aber in der Stadt ganz aufgehört hat und nur noch theilweise auf dem Lande spielt. Es sind dies Kinder, die von Haus zu Haus ziehen und Sprüche hersagen, wie z. B. „Klopf an, klopf an, daß Kora gut gerothet“ etc., wofür sie mit Eßwaaren beschenkt werden.

In Ellwangen ist die Fastnacht besonders zu erwähnen, die in früheren Zeiten oft recht großartig gehalten wurde. In neuerer Zeit wurden einigemal am Tage gediegene Sachen zur Ausführung gebracht. U. a. Dr. Brehms Einzug in Sibirien, dann Internationales Sängerfest, Turnfest etc. Dabei werden allerlei Anspielungen laut; es ist Nichts so fein gesponnen, an der Fastnacht kommt’s an die Sonnen.

Palmsonntag. An demselben kommen die Landbewohner mit Hunderten prächtig gezierter Palmen (in Ermangelung ächter Palmzweige die Zweige der Weide mit ihren im Frühling zeitig hervordringenden Kätzchen) in die Stiftskirche, welche dort zum Segen der Wohnungen, wo sie aufbewahrt werden, ihre Weihe empfangen. Wer am Palmsonntag zuletzt in einem Hause aufsteht, bleibt das ganze Jahr hindurch der „Palmesel“.

An Ostern spielt das Osterei in allen Farben, sowie das Backwerk, Osterfladen genannt, für die Jugend eine große Rolle. Am Ostermorgen werden in der Kirche Speisen geweiht, in der Regel gesottene Eier, Salz, Meerrettich, Fladen und Fleisch, das „Geweihte“ wird nach dem Morgengottesdienst nach Hause gebracht und hierauf von der Familie verzehrt. Das geweihte Salz wird oft das ganze Jahr hindurch aufgehoben und als Heilmittel betrachtet, namentlich bei Krankheiten des Viehes.

Maibäume werden in vielen Ortschaften noch errichtet und ist mit der Errichtung immer eine Tanzbelustigung verbunden. Die

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_165.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)