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dieses Kloster recht passend auszuwählen. Nachdem sie die ganze Sumpfgegend durchforscht, gelangten sie unter Führung Gottes an den Ort, wo nachher das Oratorium des Erzmärtyrers Stephanus erbaut wurde, jetzt aber der Altar des hl. Benediktus steht, und indem sie im Wechselgesang die Psalmen Davids beteten, flehten sie zu Gott, er möge seinen Dienern eine passende Wohnung zeigen. In diesem Gebet kamen sie bis zum 131. Psalm, der beginnt: „Gedenke Davids, o Herr!“

Und während der selige Hariolf eben den 14. Vers aussprach: „Hier ist meine Ruhe in Ewigkeit; hier will ich wohnen weil ich sie erwählt habe“, stieß er mit dem Fuße an eine Wurzel, stürzte plötzlich nieder und blieb lange wie betäubt an der Erde liegen. Als sein Bruder dies sah, erstaunte er anfangs, dann trat er näher und ermahnte ihn aufzustehen und zu erzählen, was ihm begegnet sei. Indem Hariolf ohne Säumen aufstand, that er nichts anderes, also daß er den nämlichen Vers, den er bis zu seinem Fall auf die Erde sang, mit feuchtem Antlitz öfters wiederholte. Und sogleich hieb er mit der Hacke, die er in der Hand trug, Waldbäume um, bezeichnete den Bauplatz für das Kloster und begann so die Gründung desselben. Darauf strömten bald viele zusammen und brachten ihm und Gott sich und das Ihrige dar.

Hariolf, ein ausgezeichneter und hervorragender Streiter Christi, war in jeglicher Tugend stark. Ein wahrer Auserwählter Gottes, wandte er sich von allem Bösen ab, und that nur Gutes; denn mehr war er allezeit bemüht, geliebt als gefürchtet zu werden. Gebete für sich allein, d. h. in der Abgeschiedenheit, liebte er so sehr, daß er, wenn ihn nicht etwa die Natur daran hinderte, die ganze Nacht in Psalmen- und Hymnengesang durchwachte. Gänzlich zu Gott hingewandt wirkte er folgendes ausgezeichnete Wunder.

Während er einmal nachts in der Süßigkeit seines Gebetes wachte und im Oratorium des hl. Stephanus besonders inbrünstig zu Gott flehte, sah einer der Seinigen, Namens Grimoald, wie ein Feuerstrahl von seinem Munde aus bis an den Himmel sich erstreckte und so lange funkelte, als man ihn in diesem Gebete verharren sah. Erwäge nun, was für ein Mann das gewesen sein muß, der durch diese wunderbare Erscheinung verherrlicht worden ist.

Zu Grimoald also, von dem ich soeben gesprochen, hatte er eine besondere Zuneigung, unterhielt sich gerne mit ihm und pflegte auch geheime Zwiegespräche öfters mit demselben. Aber da Gott das Verdienst des guten Lehrers dem frommen Schüler enthüllen wollte, wurde es gleich einem Feuer, das von seinem Herzen ausströmte, wie ich vorhin erzählt habe. Da jedoch Gott auch das Verdienst des Schülers dem frommen Lehrer offenbaren wollte, damit sie gegenseitig wüßten, welches Verdienst jeder von ihnen vor Gott habe, so geschah es zur Winterszeit, als die ganze Erde vor Frost starrte, daß Grimoald zur Kasteiung in einer nahen Quelle sich untertauchte und längere Zeit zu Gott aufathmend darin blieb. Herr Hariolf, der unterdessen an der Quelle wo er zu beten pflegte, verborgen war, sah über dem Bruder ein göttliches Licht schimmern, glänzender als die Sonne. Er erstaunte über die Helle des Lichtes; nachdem er sich wieder gefaßt, dankte er Gott. Als hierauf der Streiter Christi aus dem eiskalten Wasser herausstieg, verschwand das himmlische Licht allmählich. Am andern Morgen, da die Brüder bei der Lesung saßen, machte ihnen Hariolf das Verdienst

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Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_151.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)