Seite:OberamtEllwangen 150.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und die Schlüssel zu allen Gemächern gehabt habe. Nach diesem kam ein Geschrei aus: ihre Seele schwebe um die Schloßmauer herum und lasse sich alle Quartal, am Sonntag, Nachts mit einem Schlüsselbund am Halse in jungfräulichem Anzuge sehen. Dagegen sagen alte Bauern aus der Gegend, sie hätten von ihren Vätern gehört, daß diese Jungfrau eines heidnischen Mannes Tochter gewesen und in eine große erschreckliche Schlange mit jungfräulichem Haupt und Brust verwandelt worden sei, und gewöhnlich an den vier Quartalen des Jahres in dieser Gestalt mit einem Schlüsselbund am Halse sich habe sehen lassen. (Crusius, Schwäb. Chron. Deutsche Ausg. v. Moser, II. 441).

Aus der Stadt Ellwangen. Zur Zeit als Pipin und Karl der Große nach einander in Gallien regierten, hielten sich an ihrem Hofe Hariolf und Cadolf, Prinzen aus königlichem Geblüte, als Laien auf. Beide trafen einst auf einer Jagd im Virngrunde einen Hirsch, oder, wie geschrieben ist, einen Hirschbock, sonst auf griechisch Elva, auf lateinisch tragelaphus genannt, von welchem Thier das Stift bis auf den heutigen Tag den Namen hat, setzten ihm mit einigen Dienern nach bis in die Gegend, welche vorhin eine lautere Wildnis war, und erlegten ihn hier. Aus Dank gegen den Allmächtigen machte Hariold das Gelübde, an dem Orte, wo das Thier erlegt worden, Gott zu Ehren ein Benediktinerkloster zu erbauen.

Das Weitere siehe unten bei Ellwangen in der Ortsbeschreibung.

Hier ist anzureihen, was Ermanricus oder Ermenoldus, Schüler Rudolfs von Fulda († 865) und nachmaliger Abt (845–862) zu Ellwangen, der als Schriftsteller und Gelehrter glänzte, über die Gründung Ellwangens und über den Gründer Hariolf uns in lateinischer Sprache in Form eines Gespräches hinterlassen hat; wir geben es in der Übersetzung Vogelmanns (Aus Ellwangens Vergangenheit von Dr. Alb. Vogelmann, Ellw. 1883, S. 6 ff).

Von Jugend auf lebte Hariolf mit einem Manne aus sehr edlem Geschlechte, Namens Kadoloh. Es begab sich, daß sie eines Tages der Jagd oblagen und in dem Virngrunde hier einen Tragelaphus verfolgten. Am späten Abend erlegten sie das Thier an dem Orte, der von jener Jagd den Namen Elchenfanc bekommen hat. Als der heilige Mann an diesem Orte die Nacht zubrachte, hörte er im Schlafe den Schall von Glocken, und zwar wurde, wie er selbst erzählt hat, der Hall der Glocken in dem Thale vernommen, wo anfangs das Kloster, jetzt aber die Kirche erbaut ist. Er erwachte, bezeichnete sich mit dem Zeichen des hl. Kreuzes und schlief wieder ein. Da hatte er wieder das gleiche Gefühl. Als er aber das Zeichen zum drittenmale hörte, weckte er einen von seinem Gefolge und sprach zu ihm: „Hast du nichts gehört?“ – „Einen Klang, war die Antwort, wie das letzte Aushallen von Glocken höre ich. Warum hast du mich nicht früher geweckt?“ Doch Hariolf sprach; „Schweig’, ich bitte dich, und bezeichne dich mit dem Kreuze; denn oft nimmt man in Einöden Ungewohntes wahr.“ Von dieser Zeit an entsagte Hariolf den Freuden der Welt und suchte ein Streiter Christi zu werden. Deswegen begab er sich zu seinem Bruder, dem Bischof Erlolf, und vertauschte das weltliche Kleid mit dem Ordensgewande.

Er rief seinen Bruder, den Bischof Erlolf, aus Frankreich in diese Provinz, um unter seinem einsichtsvollen Rate den Platz für

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)