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Selbstmordsfälle zur Anzeige gekommen, davon aus dem Oberamt Ellwangen 30. Unter den Umständen, welche im ganzen Kreis zum Selbstmord geführt haben, sind angegeben: Säufer, Trinker, Schnapstrinker, Asot 136mal, Säuferin 2mal. Aus dem Oberamt Ellwangen kommt 1 solcher Fall vor, er betrifft aber keinen Bezirksangehörigen.

Unser Bezirk gehört unter diejenigen des Landes, welche mehr Nahrungsmittel erzeugen, als verbrauchen. Demnach ist zu erwarten, daß eine in der Menge ungenügende Ernährung hier nicht wohl vorkomme. Zu wünschen wäre weniger überwiegende Stärkmehlnahrung (Getreide und Kartoffeln), mehr Eiweißkörper und Fett, d. h. Milch und ihre Zubereitungen, Fleisch und Speck, auch ausgedehntere Verwendung von Obst und Obstmost, richtigere Eintheilung der Nahrungsmittel, mehr Kochkunst.

Die kleinen Kinder werden laut Ausweis der Hebammentagebücher neuerdings meist an der Mutterbrust ernährt. Diese Ernährung ist aber oft ungenügend, bald dauert sie überhaupt nicht lang genug, bald fließt die Nahrungsquelle zu schwach. Die Hauptursachen sind unkräftige Nahrung, zu bald nach der Entbindung wieder angefangene und angestrengte Arbeit, zu schnell auf einander folgende viele Geburten. Hier ist aber noch ein Umstand zu erwähnen. Die schönere Hälfte des Landvolks, Mädchen und Frauen, trägt kein geschnürtes Panzerkorsett, aber auch kein Leibchen, das die Rundung des Busens trägt und erhält; die Brüste werden von dem Kleiderleib herunter gedrückt, auf die Rippen aufgepreßt und platt gedrückt. Solche Behandlung muß, abgesehen von andern Nachtheilen, auf die Leistung der Milchquelle schädlich einwirken.

Der dicke Mehlbrei kommt als Kinderfutter nach und nach in Abgang. Zur Ergänzung und zum Ersatz der Muttermilch dient die Kuhmilch. Sie wird gewöhnlich mit Wasser oder Thee verdünnt. Das richtige Mittel, um die von der Natur für ein Kalb und nicht für ein Menschenkind bestimmte Kuhmilch für den Kindermagen zurecht zu machen, Gerstenschleim oder Haberschleim, war hier bisher unbekannt.

Die seit etlichen Jahren entstandenen Käsereien haben, während solche anderwärts durch Entziehung der Milch der Kinderernährung geschadet haben, hier ähnliche Folgen bis jetzt nicht gehabt.

Eine große Rolle in der Aufzucht der Kinder spielt der Schlotzer oder Schnuller, hier Zapfen genannt. Der altherkömmliche

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Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Ellwangen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1886, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtEllwangen_139.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)