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Memminger: Beschreibung des Oberamts Canstatt

schon am frühen Morgen begonnen hatte, wurde nun besonders stark von Seiten der Östreicher fortgesezt, die ihr Geschütz längs den Anhöhen am Sulzerain, Seelberg etc. aufgestellt hatten. Der Donner rollte unausgesezt bis an den Abend. Die Kugeln flogen pfeifend über die Stadt weg, einige Haubizen schlugen ein, eine Kelter hinter der Vorstadt ging mit dem damit verbundenen östreichischen Magazin und einigen Häusern zu Berg im Rauch auf. Selbst in der Stadt an den Ufern des Neckars hin, und sogar in den Häusern an demselben waren Canonen aufgepflanzt. Die Angst und die Noth der Einwohner war gräßlich; mitten im Feuer plünderten die Franzosen in der Vorstadt, die Östreicher hatten Tags zuvor schon in einigen Häusern der Stadt geplündert. In dem Gasthofe zum Ochsen fielen zwey Franzosen den Wirth, G. Wagner, an, um die Entdeckung seiner noch übrigen Habseligkeiten zu erzwingen. Sie warfen ihn mitten im Zimmer zu Boden, indem sie ihn aber so mißhandelten, schlug eine Kanonenkugel durch die Wand, und zerschmetterte beyde Franzosen, während der Wirth zwischen ihnen unversehrt auf dem Boden liegen blieb. Mehrere Häuser in der Vorstadt standen am Abend dieses Tages ganz durchlöchert da. Eine bange Stille folgte auf diesen Tag; in der Nacht vom 22. auf den 23. brach der Erzherzog mit seinem Lager auf und setzte seinen Rückzug weiter fort. Zu gleicher Zeit zog die österreichische Besatzung von Canstatt ab, nachdem sie vorher noch das Neckarthor verrammelt hatte. Am folgenden Morgen wurde die Stadt den Franzosen von den Behörden übergeben. 1

Es ist oben schon gezeigt worden, welche unermeßliche Opfer der Amtsbezirk von dieser Zeit an zu bringen hatte; die Stadt hatte immer die Hälfte, und noch mehr daran zu leiden. Mancher vermögliche Bürger hatte jährlich 1200 bis 1600 Mann im Quartier. Nicht nur Gesunde, sondern auch Kranke und Verwundete mußten von den Bürgern aufgenommen und verpflegt werden, bis endlich die

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Memminger: Beschreibung des Oberamts Canstatt. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1832, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCanstatt148.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)