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überhaupt ein Paar Jahrhunderte lang vieler hoher und berühmter Gäste aus ganz Schwaben, Franken, Rheinland und aus entlegeneren Landschaften. Von dem württembergischen Fürstenhaus weiß man schon, daß Margarethe von Savoien, Gemahlin Graf Ulrichs des Vielgeliebten im Jahr 1474 sie gebrauchte. Im Juni 1510 verlobte sich hier Markgraf Ernst von Baden, Christophs Sohn, mit Elisabeth, Tochter des Markgrafen Friedrich von Brandenburg im Beisein königlicher Abgesandter (Baselii additio ad Naucleri Chron.). Aus dem württembergischen Hause waren Badegäste 1519 und 1520 Graf Georg (Bruder Herzog Ulrichs), 1593 Herzog Ludwig, 1609 Herzog Johann Friedrich, 1642 Herzog Eberhard III. Im Juni 1656 feierte allda seinen Verspruch der Herzog Eberhard III. mit Maria Dorothea Sophia, geb. Gräfin von Oettingen. Derselbe gebrauchte noch im Juni 1674 (kurz vor seinem Tode) wegen apoplectischer Anfälle dieses Bad vom Kloster Hirschau aus. Von berühmten Gelehrten war Joh. Reuchlin im J. 1522 Kurgast. Eine sehr große Reihe fürstlicher, adelicher u. a. Gäste stifteten je in das von ihnen besuchte Bad ihr auf eine Holztafel gemaltes Wappen zum Aufhängen in den Gängen zwischen den Zimmern[1]; im obern Bad gingen diese Wappen bis 1506 und im untern bis 1512 zurück, doch so daß einige der älteren, welche unrichtig sind, nicht gleichzeitig sein konnten. Die interessante Liste dieser Wappen bis zum J. 1667 herab gibt Walch in seiner angeführten Schrift S. 58–161. Im untern Bad waren solche Wappen noch bis zum Jahr 1808 an ihrer Stelle; beim damaligen Umbau zurückgestellt gingen sie später zu Grunde.

Das Bad überhaupt kam erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts unter Staatspächtern ganz herunter; hob sich aber nach dem Anfang des gegenwärtigen wieder ansehnlich. Durch die in neuerer Zeit von den Badebesitzern vorgenommenen Verbesserungen, sowie durch die Bemühungen des württembergischen ärztlichen Vereins gewann es sichtlich und erfreut sich gegenwärtig einer steigenden Frequenz nicht blos aus dem Inlande, sondern auch aus allen Theilen Deutschlands, der Schweiz und den übrigen Ländern Europa’s; durchschnittlich wechselt die Zahl der Kurgäste jährlich zwischen 143 und 243. Der ehrenvollste Besuch wurde ihm 1851 durch die Frau Kronprinzessin von Württemberg kais. Hoheit zu Theil.

Außer den Bädern sind noch folgende zur Gemeinde gehörige einzelne Wohnsitze zu erwähnen:

Kaffeehaus, ein einzelnes Haus, welches 1/8 Stunde östlich von dem unteren Bad in einer geschützten, wiesenreichen Mulde, eine ziemlich hohe, sehr freundliche Lage an dem Saume des Waldes


  1. Die am 26. Juni 1606 für Liebenzell errichtete Mahler- und Dreherordnung (Reyscher Samml. 12, 628) beweist, daß in der Stadt selbst gewerbliche Kräfte hiefür vorhanden waren.
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_270.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)