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Zerstörung durch Feindeshände, im J. 1634 und 1692 hervorzuheben.

Als unmittelbar nach der Schlacht von Nördlingen den 27. Aug. (6. Sept.) 1634 die feindlichen Kriegsschaaren in Württemberg verheerend einfielen, erschien vor den Thoren der Stadt Calw, deren Vogt Andler, ein hochmüthiger ausschweifender Mann, keine Anstalt zur Abwendung der drohenden Gefahr gemacht hatte, am 10. (20.) Sept. mit 2000 Reitern (darunter die wilden Croaten) der bayerische General Johann von Werth, welcher die Verfolgung des protestantischen Heeres durch Württemberg unternommen hatte, und hier feindliche Regimenter, welche von Villingen her nach Ettlingen zogen, um sich daselbst mit dem Rheingrafen Otto Ludwig zu vereinigen, fast noch erreichte[1].

Ergrimmt, daß man das Ziegelthor nicht sogleich öffnete, drang er mit seinen Truppen gewaltsam ein, zog jedoch alsbald weiter, um den Feind in der Richtung gegen Neuenbürg zu verfolgen. Von dem in Calw zurückgelassenen Theil seiner Mannschaft wurde jedoch allda gewüthet, geplündert und gemordet, weder Alter noch Geschlecht geschont und die ärgste Unzucht verübt; mit dem sogen. Schwedentrunk wurden manche Einwohner gemartert, da man das Geständniß verborgener Schätze von ihnen erpressen wollte. Während die Wüthriche Wachen ausstellten, um die Bewohner am Fliehen zu verhindern, steckten sie in der Nacht vom 10. auf den 11. (20. auf den 21.) Sept. die Stadt und die Vorstädte in Flammen. Dennoch entkamen Viele, indem sie mit Lebensgefahr über die Mauern sprangen und sich an Seilen herabließen.

Die Wuth der Soldaten aber verfolgte die Fliehenden bis in die benachbarten Wälder und Schluchten. Es wurden von den damaligen 3821 Einwohnern 85 Personen, zum Theil hochbetagte, getödtet, 200 verwundet; die Zahl der im Feuer umgekommenen konnte nicht ermittelt werden. Die ganze Stadt innerhalb der Stadtmauer sammt den Vorstädten, im Ganzen 450 Gebäude, nur ein „kleines Scheuerlein“ ausgenommen, wurde ein Raub der Flammen; selbst die einzeln stehende Gottesackerkirche wurde verbrannt. Nur die äußere Vorstadt mit 100 Häusern wurde gegen Erlegung einer Brandschatzung von 5000 fl. verschont, aber auch sie ein Paar Wochen darauf durch eingedrungene Villinger nochmals hart mitgenommen.


  1. Ein unter dem Oberstlieutenant Jac. Bernh. von Giltlingen stehendes württ. Regiment nahm er bei Igelsloch mit diesem Oberst fast ganz gefangen.
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_176.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)