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in den Waldorten, wo es eine Sache des Ehrgeizes unter den Bauern ist, wer am längsten seine Schweine mästen und daher am spätesten im Frühjahr schlachten kann. So geschieht es oft, daß die Schweine, deren Fleisch nebst den Würsten zum Einsalzen und Räuchern bestimmt ist, bei sehr warmer, diesem Geschäft gar nicht günstiger Witterung geschlachtet werden. Hiezu kommt, daß zu Vermehrung der Wurstmasse gewöhnlich bei den Metzgern der Oberamtsstadt sogenanntes Eingeschlächt, d. h. Eingeweide und Blut von anderem Schlachtvieh, das oft schon einige Tage aufbewahrt war, gekauft und zugesetzt wird, sowie auch Milch und bisweilen, jedoch seltener, Wecken, und daß es mit der Reinlichkeit nicht immer ganz genau genommen wird. Im Gäu, wo das Spätschlachten nicht als Ehrensache betrachtet wird, sind Wurstvergiftungen viel seltener. Übrigens erkrankten auch in der Oberamtsstadt im Jahr 1854 dreizehn Personen an Wurstvergiftung nach dem Genuß frischbereiteter Würste, wobei die Entstehung des Giftes nicht genügend zu ermitteln war; die Vergifteten wurden aber alle gerettet.

Krankheiten der Harnwerkzeuge werden nicht viele gefunden. Nierensteine und Harnsteine sind eine ganz außerordentliche Seltenheit. Die Zuckerharnruhr gehört auch zu den Seltenheiten. Die Bright’sche Nierenkrankheit wird selten anders, als im Gefolge des Scharlachfiebers, gesehen.

Die vielgestaltigen Störungen und Leiden im Gebiete des weiblichen Sexualsystems sind hier nicht häufiger als anderswo. Das Kindbettfieber kommt zwar sporadisch vor, ist aber noch niemals epidemisch geworden.

Unter den acuten Hautkrankheiten ist nach dem (schon erwähnten) Scharlachfieber die wichtigste die Masern (Morbillen), woran in 6 Jahren 84 Personen (1,6 Proz.) starben. Höchst selten erscheinen sie sporadisch, sondern gewöhnlich in großen, rasch um sich greifenden, aber auch rasch vorübergehenden Epidemieen. In der Stadt Calw dauert eine Scharlachepidemie gewöhnlich 5–9 Monate, eine Masernepidemie 2–3 Monate. Masernepidemieen herrschten im Oberamtsbezirk im Jahr 1814 (Mai bis September), 1818 (Februar bis Juni), 1832/33 (Dezember bis Mai), 1837/38 (Oktober bis Juli, sehr starke Epidemie, während welcher an einigen Orten anstatt der Morbillen das Scharlachfieber herrschte), 1841 (Januar und Februar, nicht bedeutend), 1842/43 (Dezember bis Juni), 1847/48 (Oktober bis April), 1853 (März bis August), 1856 (Juni bis September, nur in den 3 Gäuorten Deckenpfronn, Simmozheim und Dachtel, in letzterem

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 063. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_063.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)