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bei Solchen vor, welche einer religiösen Secte angehörten, wo es zum sogenannten Durchbruch gekommen. Doch sind solche Fälle meist gutartig und gehen innerhalb weniger Wochen in Genesung über. Auch einige sogenannte Besessene rumorten längere Zeit im Bezirk. (S. „Dr. Kerner über das Vorkommen von Besessensein etc.“)

Die Syphilis kommt vor, aber gewöhnlich in sekundären Formen. Sie wird meist von Dienstboten in Heilbronn oder im Badischen geholt, und war früher auch bei den auf der Handelschaft herumziehenden Bewohnern von Neuhütten und Neulautern häufig zu finden, ist aber in neueren Zeiten seltener. In letzterem Ort findet man häufig den Lupus im Gesicht – eine Hautkrankheit, welche sicher in früherer Syphilis ihren Grund hat. Über den so häufigen Cretinismus, besonders im Sulmgebiete, s. oben.

Die Krätze – theilweise auch die Phthiriasis (Läusesucht) – fand sich in den letzten Mangeljahren auf dem Mainhardter Walde in furchtbarer Ausdehnung, namentlich bei den handeltreibenden Ortschaften und Parzellen, wozu auch Neulautern gehört. Aber auch die Ortschaften des Thales, besonders die ärmeren, stellten ihr Contingent. Seit dem Aufhören der Noth und seitdem die vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln möglichst durchgeführt werden, verschwindet diese Kalamität immer mehr und erscheint nur noch bei einzelnen, ärmeren unreinlichen Familien.

Der Volkscharakter prägt sich je nach den verschiedenen Gegenden des Bezirks in seinen Eigenthümlichkeiten aus. Die Bewohner des Sulmgebiets haben im Allgemeinen die Tugenden und Fehler der schwäbischen Weinorte; unermüdlichen Fleiß Jahr aus Jahr ein, um den Weinbergen und Feldstückchen den größtmöglichen Ertrag abzugewinnen; Sparsamkeit und Einfachheit der Lebensweise und Sitten; Sinn für bürgerliche und kirchliche Ordnung, jedoch ohne Neigung zu Pietismus und Separatismus, außer einigen Wenigen in Eberstadt, wo seit neueren baptistische Bewegungen vorgekommen sind. Vor den Bewohnern der höher gelegenen Gegenden, besonders des Burgfriedens und des Mainhardter Waldes zeichnen sie sich mit denen der untern Brettachgegend aus durch fleißige Benützung der Schule für ihre Kinder. Dagegen ist hier auch die Trunksucht, und wenn es an Wein gebricht, der Genuß des Branntweins nicht selten und kommt namentlich auch beim weiblichen Geschlecht öfters vor. Die Nähe einer Fabrik- und Handelsstadt, wie Heilbronn, übt auf sehr Viele, besonders vom Handwerkerstand, einen sichtlichen, nicht immer vortheilhaften Einfluß.

In dem durchschnittlich wohlhabenderen unteren Brettachgebiete,

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F. L. I. Dillenius: Beschreibung des Oberamts Weinsberg. Karl Aue, Stuttgart 1861, Seite 051. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAWeinsberg_051.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)