Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bei Wöchnerinnen, sind am häufigsten in Eberdingen, Ensingen, Horrheim und Nußdorf. – Bei der vorherrschenden westlichen Windrichtung sind katarrhalische Affektionen, namentlich Grippe, häufiger, als reine Entzündungen der Brustorgane. – Geistesstörungen kommen nicht häufig vor, ebenso gehört Syphilis zu den seltenen Krankheiten, dagegen ist die Krätze in neuerer Zeit eine wahre Kalamität für die Ärzte geworden, doch zeigt sich auch bei dieser eine merkliche Abnahme seit der, neuerer Zeit dagegen ergriffenen Regierungsmaßregeln.

Der Volkscharakter ist im Allgemeinen gut. Einfache Sitten, bei großer Emsigkeit und Sparsamkeit, sind vorherrschend; neben einem biedern Sinn, der in einzelnen Gemeinden in Derbheit übergeht, findet man viele, nicht selten zu den strengen Formen des Pietismus, zuweilen auch des Separatismus hinneigende Religiosität. Die Einwohner, mit Ausnahme der Städte und der an den frequenten Straßen gelegenen Orten, haben noch ziemlich die ältere Volkstracht beibehalten, bestehend bei den Männern in dem Dreispitzhut, dem blauen Tuchrock, den rothen oder schwarzen, mit Rollknöpfen besetzten Brusttuch und kurzen gelben Lederhosen; bei den ledigen Burschen vertritt die Stelle des Huts meist die pelzverbrämte Mütze und die des Rocks ein Wamms von Tuch oder Manchester; auch gilt bei diesen die reich mit Silber beschlagene Ulmer Tabakspfeife als ein besonderer Schmuck. Das weibliche Geschlecht trägt noch häufig das anständige deutsche Häubchen und kleidet sich nicht selten in Tuch und Wiefling von dunkler Farbe; indessen weicht bei demselben, und allmälig auch beim männlichen Geschlechte, die charakteristische Tracht der Voreltern immer mehr der unsolideren halbstädtischen Kleidung.

Auch eigenthümliche Gebräuche und Volksbelustigungen werden immer seltener, selbst das früher allgemein übliche Eierlesen am Ostermontag ist in neuerer Zeit ganz abgekommen. Der Tanz ist nur noch an Märkten und Kirchweihen üblich, und auch die Hochzeiten werden meist ohne Musik abgehalten; nur das Schießen ist bei diesen, wie auch bei Taufen, in einzelnen Orten noch im Gebrauch. Blos in Weissach finden noch besondere Gebräuche bei den Hochzeiten statt (s. die Ortsbeschr. v. W.). Bei Leichenbegängnissen sind Leichentrunk und Leichenmahl beinahe ganz abgegangen, dagegen besteht noch die löbliche fromme Sitte, daß die Schuljugend vor dem Hause des Verstorbenen und während der Zug sich zu dem Gottesacker bewegt, wie während der Einsenkung des Sargs, geistliche Lieder unter Anführung des Schulmeisters singt. Ein alter Gebrauch ist das Pflanzen von Linden auf erhabenen

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Vaihingen. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 031. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAVaihingen0031.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)