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mit eminentem Lehrtalent als Apostel der Hegelischen Lehre auftrat, wurde sie beinahe Gemeingut, wenigstens konnte Keiner sich im Kredit wissenschaftlichen Strebens erhalten, der nicht Hegel studirte, oder wenigstens die Hegelische Ausdrucksweise sich aneignete. Schwerlich ist auf irgend einer deutschen Universität der Hegelianismus so zur Herrschaft gelangt wie in Tübingen. Die zweite Hälfte der dreißiger Jahre war seine Blüthezeit; mit Ende des folgenden Jahrzehnts hat das Studium der Philosophie bedeutend nachgelassen, und die Klage über die einseitige philosophische Richtung hat sich allmählig in den entgegengesetzten Tadel verkehrt, daß die philosophischen Studien über Gebühr vernachlässigt werden.

Die Philologie, deren Elemente in den Lateinschulen mit Virtuosität gelehrt und auch in den niederen Seminarien mit Ausschließlichkeit gepflegt wurden, konnte es auf der Universität Tübingen doch nicht zur Stellung einer selbständigen Wissenschaft bringen, sondern blieb in dem Stadium einer Vorbereitungswissenschaft. Die Theologen, aus denen die Kandidaten des Lehramts genommen wurden, hörten in den ersten Semestern zur Fortsetzung der Gymnasial- und Seminarstudien noch einige philologische Vorlesungen, aber damit war es aus und sie kamen nicht mehr zu den sprachwissenschaftlichen, philologisch-kritischen und archäologischen Studien, wie sie in Norddeutschland zur Vorbildung auf ein philologisches Lehramt unentbehrlich erachtet wurden. Seit Anfang der fünfziger Jahre begann es durch die Anregung zweier norddeutscher Privatdocenten etwas anders zu werden, und das Bedürfniß einer philologischen Fachbildung ist nun als berechtigt anerkannt. Wichtig für das bessere Gedeihen der philologischen Studien war es auch, daß im Jahr 1853 durch Erlaß des k. Studienraths vom 9. Nov. den Zöglingen des evangelischen Seminars, im Falle hervortretender Begabung und Neigung für bestimmte Zweige des Lehramts, gestattet wurde, einen Theil der pflichtmäßigen theologischen Vorlesungen nicht zu hören, um dadurch mehr Zeit für die Fächer zu gewinnen, welchen sie sich hauptsächlich widmen wollten. Dieß wurde neuestens durch Ministerialverordnung vom 30. August 1866 dahin ausgedehnt, daß ausgezeichnete Lehramtskandidaten unter den Seminaristen vom Studium der Theologie ganz dispensirt werden können. Dem Studium der deutschen und romanischen Philologie und Literaturgeschichte wurde durch die Anstellung Ludwig Uhlands im Jahr 1829 Bahn gebrochen. Obgleich Uhlands Wirksamkeit nur kurz dauerte, da er schon 1833 wegen der Urlaubsverweigerung zum Eintritt in die Abgeordnetenkammer seine Entlassung nahm, so war doch damit der Anfang gemacht,

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_298.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)