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errichtet, das 1592 vollendet und feierlich eingeweiht wurde. Aber als Herzog Ludwig bald darauf starb, machte sein Nachfolger aus dem Collegium illustre, wie die neue Anstalt genannt wurde, etwas ganz anderes als von den Gründern beabsichtigt war.[1] Statt einer Pflanzschule für württembergische Staatsdiener wurde das Collegium illustre eine Pensionsanstalt für die Söhne des ausländischen hohen Adels, und Württemberger fanden außer den Söhnen des regierenden Hauses nicht einmal Aufnahme. So wurde denn diese Anstalt, welche eine ähnliche Bedeutung für die württembergische Staatsverwaltung hätte bekommen können, wie das Stift für die Kirche, nur ein ziemlich nutzloser Luxusartikel, der nur in sofern Bedeutung für Tübingen gewann, als die Frequenz einigermaßen gehoben wurde und junge Leute herbeigezogen wurden, die etwas aufgehen ließen, aber wenig studirten. Die Stellung des Kollegiums illustre war der Universität gegenüber sehr unabhängig, es genoß alle Freiheiten und Privilegien derselben, aber stand nicht unter dem Senat und hatte seinen eigenen Rektor, den vom Herzog ernannten Oberhofmeister, der in des Herzogs Namen Jurisdiktion und Verwaltung führte. Die Kollegiaten konnten bei den Universitätslehrern Collegien hören, hatten aber zugleich vier besondere Lehrer für römisches Recht, Lehen- und Staatsrecht, für Politik und Geschichte, und für neuere Sprachen. Dazu waren noch Tanz-, Fecht-, Ball- und Stallmeister angestellt. Mitunter waren die Lehrstellen des Collegium illustre Professoren, die bei der Universität angestellt waren, als Nebenämter aufgetragen, gewöhnlich aber waren besondere Lehrer angestellt und dazu mit Vorliebe Ausländer gewählt, was bei der Universität nicht so häufig vorkam. Eine Erinnerung an das Stift Einsiedel ist, daß alle in dem Collegium Wohnenden, vom Fürsten bis zum Bedienten herab einen langen violetten Rock tragen mußten; nur der Zeug war nach dem Stand der Personen mehr oder weniger kostbar. Im Jahr 1594 wurde das Kollegium damit eröffnet, daß Herzog Friedrich seinen eigenen Sohn Johann Friedrich in dasselbe einführte, und mit ihm traten viele andere vornehme junge Herren ein; die Zahl der Zöglinge oder vielmehr Pensionäre nahm schnell zu; im Jahr 1599 zählte man schon 11 Fürsten und 60 Herren vom Adel, dieß war aber auch die höchste Blüthe. Während des


  1. Literatur hierüber bei Moser-Spittler wirtemb. Bibliothek 452; s. auch Sattler Herzoge 6. Beil. Nr. 6, Zeitschrift für Staatswissenschaft, Jahrgang 1850, S. 243–257.
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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_284.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)