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erfolgte durch den akademischen Senat, d. h. die Gesamtheit der ordentlichen Professoren; der Landesfürst hatte nach erfolgter Wahl die Rechte und Ansprüche der Regierung zu wahren. Für die Unterkunft der Studirenden war durch zwei Kollegienhäuser gesorgt, in welchen sie gegen ein geringes Eintrittsgeld Wohnung, Kost und Studienleitung bekamen; es war ein großes Haus am Neckar, Bursa genannt, in welchem die beiden Anstalten unter einem Dach vereinigt waren. Um die Kost hier zu einem ermäßigten Preise reichen zu können, wurden von der Universität und dem herrschaftlichen Fruchtkasten je 100 Scheffel Dinkel geliefert. Dieß war das einzige gemeinsame Universitätsinstitut; Bibliothek, Anatomie, Laboratorium, Krankenhaus gab es noch nicht.

Obgleich die Stiftung der Universität Tübingen in die Zeit des Wiederauflebens der klassischen Studien fällt, so finden wir doch die Anfänge der neuen Anstalt wenig davon berührt. Die angestellten Lehrer gehörten beinahe alle der alten Richtung an; nur unter den Juristen wird ein Mann von hervorragender Bildung genannt, Johannes Vergenhans (Nauclerus), Lehrer des geistlichen Rechts, der erste Rektor der Universität, der zweite Kanzler, der Vertrauensmann und Berather des Grafen Eberhard im Bart. Derselbe hat sich freilich als Jurist keinen Namen gemacht, wohl aber durch seine Weltchronik, die sich zwar nicht über andere kompilatorische Werke jener Zeit erhebt, aber eine Fundgrube vieler guten Nachrichten über schwäbische Geschichte ist. Unter den Medicinern macht sich ein Johannes Widmann, Möchinger von seinem Geburtsort Maichingen zugenannt, bemerklich, der 1484 als Professor nach Tübingen berufen wurde und mit vielem Beifall lehrte. Unter den Artisten wird Paul Scriptoris wegen seines Unterrichts in der Mathematik und seiner Vorlesungen über Duns Skotus gerühmt, auch soll derselbe durch seine freieren Ansichten in der Theologie Anstoß erregt haben, doch ist er nicht eigentlich zu den Vorläufern der Reformation zu rechnen. Der erste Vertreter der humanistischen Richtung war Heinrich Bebel; er wurde 1497 als Lehrer der Beredtsamkeit und Poesie in der Artistenfakultät angestellt und erwarb sich Verdienste um die Wiedererweckung klassischer Literatur und Reinigung des Geschmacks. Ein sehr berühmter Professor der Mathematik war Joh. Stöffler, 1511 berufen. Die kurze Wirksamkeit Melanchthons in Tübingen, von 1514 bis 1518, zeigte nur, welch ungünstiger Boden damals hier für die humanistischen Studien war. Man war froh, daß der gefährliche Neuerer dem Ruf nach Wittenberg folgte, und machte keinen Versuch,

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_280.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)