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überwiesen werden zu wollen. Beides wurde gewährt. Am 28. Sept. wurden dann auch die Geistlichen des Amtes berufen, denen Blaurer in Gegenwart des Obervogts den gleichen Vortrag hielt. Von neunzehn erklärten sich sogleich sieben für die Reformation; die übrigen zwölf, welche ihr beizutreten sich weigerten, wurden ihrer Dienste entsetzt, die altersschwachen jedoch mit Unterhalt auf Lebenszeit bedacht. Ihre Stelle besetzte man mit Andern, zum Theil mit Fremden, welche aber anfangs nicht überall ohne Widerstand aufgenommen wurden. Am 2. Sept. hielt Blaurer in der Stiftskirche die erste evangelische Predigt, den 7. März 1535 wurde die Messe abgeschafft und am 21. d. Mts., am Palmsonntag, unter großer Theilnahme der Gemeinde das Abendmahl zum ersten Mal unter beiderlei Gestalt ausgetheilt. Blaurer und der Professor Käuffelin predigten anfangs allein, später unterstützte sie der 1535 zum Stadtpfarrer ernannte Phrygio. Das Vermögen und die Einkünfte der Klöster zog der Herzog ein. Im Jahr 1537 begann man am Aschermittwoch Fleisch zu essen.

Im Jahr 1548 mußte auch zu T. das Interim eingeführt werden. Mit ihm kehrten die Messe und die katholischen Geistlichen zurück; Erhard Schnepf, welcher auf Phrygio als Stadtpfarrer 1544 gefolgt war, hielt am nämlichen Tage, wo man wieder die erste große Messe feierte (den 14. Nov. 1548), unter großem Wehklagen der Gemeinde seine Abschiedspredigt und reiste unter zahlreichem trauerndem Geleite ab. Käuffelin bequemte sich wieder Messe zu lesen. Der damals noch sehr junge Catechet, Jak. Andreä, predigte evangelisch zuerst in der Siechenkapelle im Gutleuthaus, dann in einer Stube in der Stadt, später in der Spitalkirche. Im Jahr 1550 wurde im Schiff der Stiftskirche wieder evangelischer Gottesdienst gehalten, im Chor aber Messe gelesen, bis letztere durch ein herzogl. Dekret vom 30. Juni 1552 ganz abgeschafft wurde.

Die Stelle eines Stiftsprobstes, welcher bis spät herab zugleich Kanzler war, wurde erst 1561 nach dem Tode des Dr. Ambrosius Widmann durch einen Evangelischen, Dr. Jakob Beurlin, besetzt und ebenso im nämlichen Jahre nach dem Absterben des letzten katholischen Dekans das Dekanat. Seit 1590 wechselten die Professoren der Theologie mit den Morgenpredigten an Sonn- und Feiertagen ab. In der Folgezeit waren die Stellen des Probstes, Dekans und Stadtpfarrers beständig mit den drei ersten ordentlichen theologischen Lehrstellen verbunden, 1660 wurde auch die Stelle eines Abendpredigers

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_277.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)