Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Hatte sich im 15. Jahrhundert das württembergische Hofgericht in seinen jährlich zwei- bis viermaligen Sitzungen je am Orte der Hofhaltung des Grafen zu Stuttgart, Urach, Tübingen eingefunden, so begnadigte Herzog Ulrich die Stadt T. am 18. August 1514 wegen ihrer besonderen Beihülfe bei Unterdrückung des Remsthaler Bauernaufstandes unter andern mit dem Recht: daß der Sitz des Hofgerichts immer allda bleiben und ohne besondere Ursache nicht geändert werden sollte. Erst im Jahr 1805 trat das zu Stuttgart errichtete beständige Oberappellationsgericht an seine Stelle (Wächter Württ. Privatrecht 1, 94. 666).

Das Schloß hatte seine eigene Gerichtsbarkeit, welche unter württembergischer Herrschaft der Burgvogt, später der Schloßkommandant ausübte und unter welcher auch einige in der Stadt wohnenden, aber mit dem Schloß in Verbindung stehenden Personen (z. B. der Schloßküfer) und die Schloßgarnison stunden.

Eine weitere Gerichtsbarkeit, die akademische, kam nach der Gründung der Universität hinzu; solche übten in bürgerlichen und peinlichen Sachen der Rektor und der akademische Senat aus und unter ihr stunden sämtliche Universitätsverwandte. Ebenso erhielt später das Collegium illustre seine eigene Gerichtsbarkeit. Eine nothwendige Folge solcher verschiedener Jurisdiktionen waren häufige Konflikte zwischen denselben, und Stadt und Universität namentlich geriethen auch in Rücksicht auf Polizei mit einander öfters in Streit, was viele Verhandlungen und verschiedene Vergleiche herbeiführte. In vielem Wechsel der Zeiten – dem Landrecht gegenüber auf abweichenden Statuten und Gebräuchen fest fußend – behielt die Universität ihren korporativen Charakter bis 1829 bei. (Näheres bei Wächter a. a. O. 1, 288. 414. 846. 958.)

Ein eigener Polizei- und Armen-Inspektor als Vorstand der Stadtpolizei wurde 1775 angestellt. Durch das Statut von 1829 ging die Ortspolizei in der Stadt und ihrer Markung, mit Ausdehnung auch auf die Universitätsangehörigen bei Übertretung allgemeiner Polizeigesetze, auf einen Stadtdirektor über, welchem ein Polizei-Inspektor und eine militärisch organisirte Polizeiwache, aus einem Unteroffizier und 8 Landjägern bestehend, auch 4 nicht uniformirte Polzeidiener untergeordnet wurden. Da der Stadt hiedurch ein großer Theil der bisher auf die Polizei verwendeten Kosten abgenommen wurde, mußte sie jährlich 1500 fl. beitragen. Die Stelle eines Stadtdirektors, welche stets mit der des Oberamtmanns verbunden war, wurde 1849 wieder aufgehoben.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_268.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)