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Das zahlreichste Contingent zu unserer Thierbevölkerung liefert die Welt der Insecten. Die hiesige Gegend ist reich daran zu nennen, wovon freilich das folgende eine kaum schwache Vorstellung zu geben vermag.

Als Küchenschabe, um mit den Orthopteren zu beginnen, findet sich bei Tübingen nur Periplaneta orientalis L. – Die Blatta germanica Fabr. (Russen) scheint durch erstere wirklich aus vielen Gegenden verdrängt zu sein.[1] – In Wäldern und Gebüschen kommen außer Bl. lapponica L., welche sehr häufig ist, noch einige der kleineren, zarten Arten, z. B. Bl. hemiptera. vor. – Sehr merkwürdig ist mir bei Schübler, aus dem Jahr 1820, die Mantis religiosa L. (Gottesanbeterin) als ein in Württemberg einheimisches Insect aufgeführt zu finden. In der Tübinger Gegend, auf welche der Genannte doch zumeist sich bezieht, kommt das Thier, welches bekanntlich im allgemeinen ein südeuropäisches ist, nicht vor; dazu ist auch schon die Gegend zu rauh. Aber geradezu annehmen zu wollen, daß Schübler in der Diagnose sich geirrt, kann ich mich nicht entschließen, da das Thier groß und so auffälliger Art ist, daß es an den verschiedensten Orten volkstümliche Namen hat, in manchen wärmeren Orten Österreichs „Weinhasel“ , in Meran „Marinkele“ u. dergl. Wenn ich daher überlege, daß die Art noch im vorigen Jahrhundert bei Frankfurt a. M. vorkam, woher Rösel seine Exemplare erhielt, dann auch bei Würzburg und gegenwärtig noch auf dem Kaiserstuhl und dem Schloßberg bei Freiburg in Baden lebt, so kann die Angabe Schübler’s doch einen Grund haben. Sollte nicht in den wärmeren weinreichen Strichen des Landes, welche sich gegen das Rheinthal öffnen, Mantis religiosa vorgekommen sein oder noch jetzt vorkommen? Die vaterländischen Zoologen übergehen einfach die Schübler’sche Angabe; mir schiene es doch der Mühe werth zu sein, diese Frage durch erneutes Nachforschen zu erledigen. – Gryllotalpa vulgaris Latr. gemein. – Ungemein häufig ist auch die Feldgrylle, Acheta campestris L., vom ersten Frühjahr an, noch flügellos an sonnigen Rainen und Abhängen vor ihren Löchern sitzend,


  1. Schreiber dieses z. B. hat Bl. germanica zum erstenmal lebend gesehen in den Häusern auf der Insel Frauenwörth im Chiemsee.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 055. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_055.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)