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Ruhm noch mehr erhöhten. Den Zwischen-Akten der großen Opern waren stets große mythologische Ballete mit prachtvollen Decorationen eingeschaltet. Nicht selten vertrat der Herzog selbst Jomelli’s Stelle am Clavier, das er meisterhaft spielte. Die damaligen Darstellungen, in einem der größten Theater-Gebäude, mit einer Tiefe von 18 Coulissen, wurden zu den glänzendsten Europa’s gezählt; denn der Herzog hatte 1758 den Ober-Baudirector de la Guepiêre „zu Abänderung des schon 1750 errichteten Opern-Theatri im Lusthaus“ anweisen und dasselbe für diesen Zweck auf das Schönste herrichten lassen. Die Decorationen von Columba und Servandoni, deren einige noch in neueren Zeiten, namentlich von Letzterem ein Tempel der Isis und von Ersterem eine unabsehbar scheinende Säulen-Galerie, in Scene kamen, waren Meisterstücke architektonischer Poesie und Perspective und führten die Zuschauer in Versuchung, an Zauberei zu glauben. Ein eigener Zeichner aus Paris copirte Trachten und Einrichtungen für die dortige Oper. In manchen Jahren sollen nur zu Besoldungen 150.000 fl. aufgewendet worden sein, indeß der Beitrag aus dem Kirchengut auf 10.000 fl. seit 1770 beschränkt blieb. 1

Nachdem aber schon 1767 die Opera buffa und das Ballet reducirt worden, schuf der Herzog 1770 ein ebenso merkwürdiges National-Institut. Im J. 1769, nach Andern 1770, wurde Jomelli entlassen und von den Virtuosen nur wenige beibehalten, hauptsächlich um Zöglinge sowohl der militärischen Pflanz-Schule (nachmaligen Academie), als der 1773 mit ihr vereinigten école des demoiselles für Oper, Musik, Schauspiel und Ballet heranzubilden; namentlich der geniale Antonio Boroni, Capellmeister, Josué Scotti, erster Decorations-Maler, Ferdinando Mazanti, Capellmeister, August Poli, Concertmeister, Regnaut, Balletmeister; noch 1782 werden die Castraten Amandini und dal Prato, und 1790 als erster Concertmeister der tüchtige Componist Joh. G. Distler, ein Schüler Haydn’s, genannt. Meist Kinder armer Leute, 62 Jünglinge und 24 Mädchen, lauter württembergische und mömpelgardische Landeskinder, begannen sie mit höchst nothdürftigen Gehalten (150 bis 400 fl.) ihre neue Laufbahn. Ein und dieselben jungen Leute führten, was sonst unerhört war, sowohl italienische, französische und deutsche Opern, als französische und deutsche Schauspiele auf, indeß die Übrigen das nachmals vortreffliche Orchester und Ballet bildeten. Im J. 1792 konnte an Poli’s Stelle ein Academie-Zögling, der treffliche Rudolph Zumsteeg, zum Capellmeister ernannt, auch die Entlassung aller übrigen Ausländer und die Beschränkung des Theater-Fonds auf 30.000 fl. zuvor noch möglich gemacht

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Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0423.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)