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welche seit Ende des 16. Jahrhunderts Europa durchzogen, ausgeführt. Dieselbe hatte aber hier eine feste Anstellung und bestand noch 1625 aus 6 Männern, worunter der schon 1609 genannte „Engelländer Johann Price“, der neben Hofkost, Kleidung und anderen Emolumenten 270 fl. Gehalt bezog, Johann Morell, David Morell und Johann Dixon genannt werden. Die wohl sehr künstliche Maschinerie scheint der 1618 genannte „Ingenieur“ Gerhard Philippi (S. 125), welcher die damals ungemein hohe Besoldung von 1000 fl. genoß, und einen Adjuncten hatte, geleitet zu haben. – Um diese Zeit war auch die Capelle stärker als jemals früher besetzt; sie zählte 1611 unter Capellmeister Joh. Conrad Raab und dessen späterem Nachfolger, dem als guten Componisten bezeichneten Vice-Capellmeister Tobias Salomon, 68 Mitglieder. Auch von den Sängern waren mehrere gute Tonsetzer, einer zugleich öffentlicher Notar. Ja noch mehr! Indeß 1625 der erste Castrat in die päpstliche Capelle getreten sein soll, besaß die hiesige schon 1611 einen „Eunuchen, Christoph Gletter, der den Discant singt, uff der Lauten ziemlich schlägt und sonst ein feiner Geselle ist“. Johann Price war „ausbündig gut uff dem Zinken und Viol-Bastarden“, und der zur evangelischen Confession übergetretene J. U. Possenti, ein Italiener, sang „einen steifen Baß“. Im J. 1623 war ein nicht näher benannter ausgezeichneter österreichischer Musiker am Hof mit 5 Kindern, wovon 2 im Alter von 4 und 5 Jahren lateinische Comödien spielten. – Neben der Kirchen-Musik wird 1625 eine „Kammer-Musik“ und bei derselben Fortunatus Riedt aus Österreich – wohl der kaum erwähnte Künstler – genannt. Damals war Basilius Froberger Capellmeister, der „eine feine Art mit den Coloraturen“ hatte; auch waren Joh. Christoph Froberger (1634 Capellmeister) als Componist und (1625 und 1630) die Italiener Franciscus Franchini und Johannes Ludovici angestellt. 1

Wäre der verheerende dreißigjährige Krieg nicht eingetreten, der jetzt die äußerste Beschränkung der Capelle gebot, so hätten sich wohl die Keime der bereits 1627 von Italien nach Dresden verpflanzten Oper auch bei uns früher entwickelt. Nachdem die Folgen des Kriegs leidlicher geworden, wandte auch Herzog Eberhard III. der Oper seine Aufmerksamkeit zu, und Stuttgart wurde eine der ersten Städte, wo deutsche Opern oder „singende Schauspiele“ zur Aufführung kamen. Von Einfluß hierauf ist, was die Musik in dieser Periode betrifft, gewiß der 1657 zum Capellmeister ernannte Samuel Capricornus (eigentlich Bockshorn, gestorben 1670) gewesen, einer der ausgezeichnetsten Componisten seiner Zeit, um den sich in Stuttgart Künstler von nah und ferne versammelten

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Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0417.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)