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Als am 5. November 1609[1] die Herrschaften über dem Nachtimbiß in der Ritterstube (des alten Schlosses) saßen, wurde vor der oberen fürstlichen Tafel unversehens ein halbrunder Tisch oder Cavet errichtet, worauf „etliche unbekannte, wie Göttinnen gekleidete Personen“ in den Saal traten, in welchen man Phöbus und Lucina mit den 9 Musen erkannte. Sieben der Letzteren setzten sich mit ihren Lauten an das Cavet, indeß die beiden anderen in diesem sich verbargen. „Demnach haben sie gar lieblich mit 7 Lauten und zween Chören angefangen zu musiciren, Phöbus und Lucina ein Gesetz um das andere darein zu singen, und so oft ein Chor und Gesetz des Gesanges ausgangen, haben alle Zeit die in dem Cavet verborgenen musae respondiret, daß es einen Echo und lieblichen Wiederton gegeben.“ Am anderen Abende war in dem oberen Saale des neuen Lusthauses eine durch denselben sich bewegende Grotte mit Spring-Brunnen und schönen laufenden Wassern aufgerichtet. Aus ihr traten zwei Eremiten hervor, die ein Liedlein sangen und Laute und Harfe also schlugen, daß sich Felsen vom Berg abrissen und ihnen nachwandelten, „nicht anders, als wie man von Orpheus schreibet“. Darauf kamen 3 singende und 9 tanzende Nimphen hervor, gefolgt von Orpheus und Linus, hierauf 4 Geiger, 12 Edeljungen mit Wachs-Fackeln und 12 Cavaliere, die zwischen jenen einen künstlichen Tanz aufführten. – Ungleich phantastischer war „das Ballet“, welches am 10. März 1616 im Lusthaus gegeben wurde[2]. Aus einer Ecke des Saales kamen „vier übergroße Menschenköpfe herfür und spazierten mit einer verdeckten Musica im Saale herum.“ Dann krümmten sie sich, die Kopfmusik schwieg und es krochen aus den Mäulern, Nasen, Augen und Ohren „zwölferlei und gegen die vier Haupt-Ecken der Welt gelegene Nationes mit ihren Landtrachten und gebräuchlichen Spielleuten“. Jeder tanzte nach seines Landes Weise und spielte dazu; und ein Deutscher, „der mit einem bescheidenen Pfeifer zur Welt gekommen“, vermochte mit „einem erbaren Burgermeisterstänzlein alle Anderen neben ihm auf gut deutsch zu tanzen“. Am Ende aber „machten Alle mit zusammen gegeigten, gepfiffenen, geblasenen, geschlagenen, geklopften und gebrummelten zwölf Instrumenten so ein wunderseltsamen und doch gar artlich in einander gerichteten General-Tanz, daß nicht genugsam zu schreiben oder zu sagen“. Zum Beschlusse „hat sich ein über und über gespiegelter und mit Lichtern ganz schimmernder Spiegelkrämersladen mit einer lieblichen und moderirten Musik von Lauten und zween lebendigen Stimmlein hören und sehen lassen“. Nach einem Liede „zu Ehren des hochlöblichen schönen Frauenzimmers“ stand der Laden still und es trat eine hübsche Krämerin hervor, die ein in deutscher, französischer und englischer Sprache verfaßtes Sonnet austheilte. Sofort „begann eine klare holdselige Musik von 10 Geigen“, welche 12 an allen Orten mit Gold und Spiegeln überlegte „Spiegler“ aus dem Laden hervorlockte, um einen kunstreichen Tanz, in den sich alle Zuschauer mischten, aufzuführen. – Ein anderes Ballet hatte am 17. Juli 1617, gleichfalls im neuen Lusthause,


  1. Vergl. Wahrhafte Beschreibung der fürstlichen Hochzeit des etc. Herzogs Johann Friedrich von Württemberg etc. mit etc. Barbara Sophia Markgrävin zu Brandenburg, gehalten zu Stuttgarten den 6. Nov. 1609, mit Kupfern. Verfaßt von M. J. Ötinger, fürstl. w. Geographen. Stuttgart 1610. Fol. Dazu gehört eine Reihe von Abbildungen von Balth. Küchlein.
  2. Wahrhafte Relation etc. über die Taufe des herzoglichen Prinzen Friedrich, und etc. Freudenfest, von Philopatrida Charitinus. Stuttgart 1616. Quer-Folio. Mit vielen schönen Kupfern von Matheus Merian, Basiliensis.
Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0415.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)