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IX. Unterrichts-Anstalten.


Der hiesige Schul-Unterricht ging anfänglich von dem Chor-Stift aus, indem ein Chorherr des Stifts zugleich die Stelle eines Scholastikers und Cantors bekleidete; doch scheint dieser sich nur dem Unterrichte junger Geistlicher gewidmet und einen Lehrgehilfen gehabt zu haben, welcher zuweilen auch Chorherr oder Vikar war, und die damals nur von Knaben besuchte eigentliche Stadt-Schule versah. In diese Kategorie gehörte namentlich der 1387 verstorbene Schulmeister Burkhardt Spieß, welcher den Beinamen „Pfaff“ (Weltgeistlicher) führte. Der später vorkommende Mengold von Klübern, Schulmeister und kaiserlicher Notar, war Chorherr. Das Schulhaus stand anfänglich in dem sogenannten Schulhofe, oben in der Schul-Gasse (s. S. 129). Der Schulmeister hatte schon 1483 einen Provisor und hieß damals auch Rector scholarum oder Paedagogus. Nach der Schul-Ordnung für Stuttgart von 1501 (Sattler H. I. Beil. S. 76) war er von Vogt und Gericht zu ernennen, dem Stift zu präsentiren und von der Regierung zu bestätigen; sein Provisor soll ein guter Baccalaureus, der Cantor ein gelehrter, in Gesang und Musik geübter Mann sein, der auch nach Rücksprache mit dem Sänger im Stifte den Kirchengesang mit seinen Schülern auszuführen hatte. Weitere Lehr-Gehilfen waren die „Locaten“, aus der Zahl geschickter Schüler. Nächst Gesang war Latein so sehr die Hauptsache, daß in der Schule nur diese Sprache geduldet war. – Eine zweite Schule – die erste deutsche Schule wurde 1535 errichtet, als Herzog Ulrich der Stadt das Beguinenhaus bei den hohen Krähen (S. 134) mit dem Rechte, die Schule mit der Herrschaft Wissen zu besetzen, abtrat, wo dann beide Schulen einige Zeit vereinigt blieben. – An der lateinischen Schule stand 1521 der gelehrte Stuttgarter Prediger-Mönch Alexander Marcoleon (Märklin), der mit 3 Gehilfen lehrte; sein Nachfolger (1551–1574) war der eben so tüchtige Johannes Wacker, ein geborener Stuttgarter und Verfasser einer lateinischen Grammatik. Herzog Christoph erhob 1558 die Anstalt zu einem Pädagogium von fünf Classen, welchen H. Ludwig eine sechste beifügte. (Die Ordnung des Pädagogiums s. in der großen Kirchen-Ordnung, Ausgabe von 1559 und 1582). Der Vorsteher hieß Pädagogarch, und hatte mit dem zweiten Lehrer, alljährlich im „Land-Examen“ die Schüler zu prüfen, welche in eine Kloster-Schule aufgenommen werden wollten; die übrigen Lehrer hießen Collaboratoren. Im Jahr 1611 zählte die Anstalt 318 Schüler; die Unterrichts-Stunden waren Sommers von 6–8, 9–11 und 1–3 Uhr. Herzog Friedrich Carl, Administrator und

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Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0373.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)