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Aus dem Vorgesagten ergibt sich, daß alle mehr oder weniger hilfsbedürftigen Einwohner in Krankheitsfällen unter officieller Fürsorge stehen. Die Zahl derselben beläuft sich höher als auf ein Viertheil der Einwohnerschaft; und da in den oben erwähnten Anstalten im Jahre 1852/53 mindestens 7500 hier wohnende Personen verpflegt wurden, so hat von dieser Verpflegung etwa 1/6 der Bevölkerung Gebrauch gemacht[1].

Durch die Leichendienst-Ordnung vom 23. April 1836 wurde die zu genauer Untersuchung der Todes-Kennzeichen allgemein angeordnete Leichenschau mittelst Aufstellung eines Arztes, neben dem 1846 ein zweiter bestellt ward, eingeführt. Für die Leichenbesorgung sind acht Leichenfrauen aufgestellt. – Um die Beerdigung Scheintodter um so gewisser zu verhindern, war 1836 ein Verein zu Erbauung eines Leichenhauses zusammengetreten, welchem auch der König eine namhafte Unterstützung in Aussicht stellte. Es wurden 5232 fl. an Beiträgen gezeichnet, Plan und Riß entworfen und der Zuschuß der Stadt auf etwa 12.000 fl. berechnet. Der Stiftungsrath beschloß jedoch im Einverständnisse mit dem Bürger-Ausschusse 1841, die Sache so lange, bis das Bedürfniß für die Stadt sich klarer herausgestellt haben würde, beruhen zu lassen, „weil die Leichenhäuser in den größeren Städten Deutschlands verhältnißmäßig nur sehr wenig benützt werden, und sich hier, wegen der herrschenden Pietät gegen die Verstorbenen, der allgemeinen Benützung Hindernisse entgegenstellen würden.“ Wie der größere Theil der Beiträge verwendet wurde, ist S. 318 bemerkt.

Nachdem zu Anfang dieses Jahrhunderts der s. g. mittlere Kirchhof und 1820 der 1564 angelegte Lazareth-Kirchhof eingegangen, liegen jetzt die beiden erweiterten Begräbnißplätze außerhalb der Stadt. Der ältere 1622 eröffnete Hoppenlau-Kirchhof auf einer freien ansteigenden Ebene vor dem Büchsenthor mißt (1850), ohne den abgesonderten, 1834 angelegten 3/8 M. großen israelitischen Begräbnißplatz, 77/8 M. 66 R. Er würde einen noch freundlicheren, rührend heiteren Anblick gewähren, wenn nicht in seinem älteren, der Stadt zugekehrten Theile, welcher übrigens allmälig ganz verlassen werden soll, die vielen Grabsteine und Todtengärtchen, welche im Ganzen mehr als 2 M. einnehmen, eine regelmäßige Anlage der Gräber verhinderten. Im obern Theile steht eine 1839 erbaute kleine Capelle zum Schutze gegen Regen bei Leichenbegängnissen. Der Boden entspricht dem Zweck einer baldigen


  1. In Paris stirbt mehr als 1/3 der Bevölkerung in den Hospitälern. (Augsb. Allg. Zeit. 1853. N. 277 Beil.)
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Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0330.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)