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Höfen stehen je zwei Röhren-Brunnen, welche durch eine Wasserleitung vom Bothnanger Berge gespeist werden. Das Trink- und Koch-Wasser liefert ein Pump-Brunnen. Ein durch Pallisaden und Bretter abgeschlossener Hofraum ist zur Bewegung der Gefangenen in freier Luft bestimmt. Im Hofe steht außer einigen Holzschuppen etc. das Dampfheizungs-Gebäude, aus welchem durch kupferne Röhren der Dampf in die Gefängniß-Locale geführt und in diesen selbst durch gußeiserne Cylinder weiter geleitet wird.

Die in diesem Gebäude eingerichtete sogenannte Pönitentiar-Anstalt hat, bis zu Vollendung des Baues, blos die Bestimmung eines provisorischen Filiales des Zuchthauses in Gotteszell, und wurde als solches im September 1850 eröffnet. Für die Behandlung der Gefangenen ist ein eigenes Straf-System gesetzlich noch nicht festgestellt, sondern die für das Zuchthaus in Gotteszell geltende Hausordnung vom 23. Jan. 1843 (Regbl. v. 1843. S. 42 etc.) maßgebend. Durch K. Verordnung vom 30. Jan. 1851 wurde bestimmt, daß sämmtliche auf Lebensdauer verurtheilte Gefangene männlichen Geschlechts in hiesiger Straf-Anstalt untergebracht werden sollen; es sind gegenwärtig 24. Die Strafdauer der übrigen zeitlich verurtheilten Gefangenen (115 männl. Geschlechts) beträgt 5–30 Jahre. Die Mehrzahl der Gefangenen ist in vier großen Arbeits-Sälen gemeinschaftlich, der Rest in sogenannten Doppel-Zellen zu 2 und 3 oder, so weit sie es selbst wünschen, in Einzeln-Zellen beschäftigt. Die in Einzeln-Zellen beschäftigten Gefangenen haben daselbst auch ihre Schlafstellen in Hängmatten, wogegen die in den Sälen beschäftigten bei Nacht theils in den 64 Zellen, so weit solche verfügbar sind, einzeln, theils in zwei Schlaf-Sälen untergebracht werden.

An der Anstalt stehen ein Vorstand, zugleich Justitiar und Verwalter, 1 evangelischer Geistlicher, sowie, mit Nebenfunktionen, 1 katholischer Geistlicher und 1 Schullehrer, 1 Arzt und 1 Wund-Arzt; sodann 1 Ober-Aufseher und 10 Aufseher, welch’ letztere zunächst zum Polizei- und Sicherheits-Dienst, zugleich aber auch als Gewerbe-Aufseher verwendet werden und dem Landjäger-Corps angehören. Die nach 24stündigem Dienste zur Ablösung kommende, der hiesigen Garnisons-Mannschaft entnommene, von einem Obermann commandirte Militärwache zählt 12 Mann.

Die Arbeitszeit der Gefangenen beträgt täglich 11 Stunden. Ihre Arbeiten sind durch die Hausordnung auf das Innere der Anstalt beschränkt und bestehen meist in Gegenständen für die S. 233 u. 234 erwähnten Goldleisten- und Patentschiefertafeln-Fabriken. Die Ausführung geschieht entweder im Taglohn oder im Accord nach der Stückzahl; in beiden Fällen wird die Leistung eines Gefangenen

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Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0296.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)