Seite:OAStuttgartStadt0120.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bis zu der Stelle des jetzigen oberen Schloßgartens, wo das obere Rasen-Rondel durch den Fahrweg und eine Platanen-Allee begrenzt ist. Er kommt als „Thiergarten“, wie er auch noch später lange Zeit genannt wird, schon 1451 mit einem „Thiergärtner“ vor. Herzog Christoph, der auf seinen Reisen in Italien und Frankreich den Nutzen und die Annehmlichkeiten des höheren Gartenbaues kennen gelernt, verpflanzte ihn in sein Vaterland und ließ bei seinem Regierungsantritte den Thiergarten in einen schönen, von Herzog Ludwig um 13 Morgen erweiterten Lustgarten umwandeln. Schon vor 300 Jahren wurde er für einen der schönsten Gärten Deutschlands gehalten und „das Paradies“ genannt, so daß sich Churfürst August von Sachsen wegen Anlegung seiner Lustgärten vornehmlich an Christoph wandte, der denn auch 1560 ihm 120 Gattungen seltener Pflanzen übersandte. Beim Eintritt in den Garten stand links das 95′ lange, 33′ breite Ballhaus, dem der „Ballmeister“ vorstand; rechts, an den schönen, mit einem Lusthaus und Springbrunnen gezierten Garten der Herzogin sich anschließend, das 1553 erbaute Armbrust- oder Schieß-Haus, in dessen zweitem Stocke ein Saal mit der fürstlichen Rüstkammer voll Armbrüsten etc. war, hierauf in der Mitte das von Christoph erbaute alte Lusthaus mit wälschen Kaminen, vier runden Erkerthürmen, einem metallenen Wasserwerke und einem Saale mit vielen Gemälden von Schlachten und seltsamen Geschichten, von Herzog Friedrich I. zu einem Laboratorium für die Hofalchymisten eingerichtet, und später in die Kunstkammer verwandelt; vor demselben die alte mit Kies und Sand beschüttete Rennbahn, 384′ lang, 157′ breit, am Ein- und Ausgang ein 35′ hohes, 16′ breites Portal mit Säulen, worauf die vergoldeten Steinbilder der Tapferkeit und der Mäßigkeit einer-, und die der Gerechtigkeit und des Sieges andererseits, in der Mitte bei den inneren Schranken Venus und Cupido, außerhalb derselben die Glücksgöttin, einen Korb am Arme, durch welchen ein Mann fiel[1]. Vor den von Epheu umrankten äußern Schranken stand ein Schauhaus mit vielen Fenstern. Etwas weiter unten, links, lag der Irrgarten oder das Labyrinth, wo das württembergische Wappen in mancherlei Blumen gepflanzt war und in seinen Farben blühte und wuchs; hier waren springende Brunnen, gewölbte Rebengänge, welsche Bäume, ein Vogelhaus, umhergehende Kraniche, ein Sommerhaus, unter dessen Saal ein gewölbter Gang mit einer langen Tafel, um darauf mit


  1. Simon Schleer, Bildhauer aus Schw. Hall, erhielt 1577 „für vier gehauene Bilder auf die Thor im Rennplatz und Thiergarten“ 160 fl.
Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0120.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)