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noch keineswegs im Stadium veilchenduftender Poudrette ihren Weinbergen und Gärten zuzuwenden, noch weiter zur Infection selbst der „freien Luft“ das ihrige bei. Der Nesenbach hat, schon wegen seiner geringen Wassermasse, die den fließenden Gewässern sonst zugeschriebene Eigenschaft der Lufterneuerung nicht in dem erforderlichen Grade; überdieß wird er, wegen des Ursprungs seiner Quellen aus den Liasschichten der Filder, schon oberhalb der Stadt eines Antheils an Schwefelwasserstoffgas beschuldigt. Die reichlichen Zugaben, welche ihm die Ausflüsse der Stadt an Materialien für ammoniakalische Gasentwickelungen liefern, in Verbindung mit den, den Moorgründen des unteren Schloßgartens an Sommer- und Herbstabenden entsteigenden riechenden Nebeln, bilden sodann auf seinem weiteren Verlauf unterhalb der Stadt entlang des Schloßgartens keine sehr erwünschte Zugabe zu den Annehmlichkeiten dieser sonst hochgeschätzten und vielbesuchten Promenade, und vollenden die Ungunst der „Stuttgarter Atmosphäre“, der über die Grenze des Thalkessels hinaus zu entfliehen die Einwohner Zeit und Veranlassung zu benützen eifrig beflissen sind. Es ist daher der Gedanke, der cloacinischen Mephitis durch Überwölbung des Baches unterhalb der Stadt bis zu seiner Einmündung in den Neckar ein Denkmal zu errichten, geruchlose Cabinette einzuführen und das über den Nesenbachcanal erbaute Schlachthaus außerhalb der Stadt zu verlegen, der Fürsorge der Behörden wiederholt nahe gelegt worden. 1

Die in den Sommermonaten, besonders vor Gewittern häufig sehr drückende Hitze in dem Stuttgarter Thalkessel erklärt sich durch die Einwirkung der Sonnenstrahlen auf die, durch die Cultur im ganzen Thalbecken entblöste, Erdoberfläche der Straßen, Gärten und Weinberge, in Verbindung mit der erwähnten, den Windströmungen des größeren Theils der Windrose verschlossenen Lage. Nicht leicht wird selbst ein herrschender Sturm, mit Ausnahme der nordöstlichen und südwestlichen Richtungen, in der Stadt und ihren nächsten Umgebungen in seinen verheerenden Wirkungen empfunden. Die durch den Wolkenzug erkennbare, im südwestlichen Deutschland überhaupt vorherrschende, westliche Windrichtung wird stets durch die südwest-nordöstliche Richtung des Nesenbachthals in die südwestliche, an den Windfahnen der Stadt erkennbar, abgelenkt, und nur starke Gewitterstürme lokalen Ursprungs, durch die aus dem erhitzten Thalgrunde aufsteigenden Luftströmungen entstanden, oder Stürme von großer Intensität, vermögen die unteren, auf der Stadt und ihrer nächsten Umgebung lagernden, Luftschichten aufzurühren und haben schon, wiewohl ziemlich selten, mechanische Zerstörungen an Gebäuden und Bäumen angerichtet.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0022.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)