Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und gewährt eine freundliche Ansicht. Das Chor derselben hat spitzbogige, gothisch gefüllte Fenster, welche an der Kirche selbst durch moderne Rundbogen-Fenster, wodurch der alterthümliche Styl des Ganzen gestört wurde, ersetzt sind. Die im Chor und am Haupteingang stehende Jahreszahl 1475 gibt die Zeit der Erbauung an. Der viereckige Thurm ist aus Quadern erbaut und mit schmalen, schießschartenartigen Lichtlöchern versehen; auf demselben sitzt ein hölzernes Stockwerk mit einem spitzen, hohen Dach, das vom Viereck in das Achteck übergeht und mit grün verglasten Ziegeln gedeckt ist. Die Zahl 1680, mit gelben Ziegeln in das Dach eingesetzt, gilt wohl der Erbauung desselben und des obern Stockwerks. Im Thurme hängen 3 Glocken, die zusammen ein schönes Geläute geben; die eine davon trägt mit alter Schrift die Namen der 4 Evangelisten, die anderen, von denen eine die größte im Bezirk ist, sind laut Inschriften im Jahr 1798 gegossen. Die Baulast der Kirche liegt dem Heiligen ob, wegen dessen Unvermögenheit die Gemeindekasse schon in’s Mittel treten mußte. Der ummauerte feste Kirchhof diente bis 1837 als Begräbnißplatz; jetzt ist derselbe in eine Gemeinde-Baumschule umgewandelt und auf Kosten der Gemeinde ein neuer Begräbnißplatz mit einem Aufwand von 2293 fl. außerhalb des Orts, auf der Seite gegen Sielmingen hin, angelegt worden. Das in der Nähe der Kirche gelegene geräumige Pfarrhaus, welches der Staat zu erhalten hat, wurde in neuerer Zeit mehrfach ausgebessert und verschönert.

Das Schulhaus mit Schullehrerwohnung wurde 1811 gänzlich erneuert und 1835 durch einen Anbau vergrößert. An der Schule unterrichten ein Schulmeister, ein Unterlehrer und ein Lehrgehülfe. Das Haus wird theils von der Stiftungskasse, theils von der Gemeinde unterhalten. Eine Industrie-, Strick- und Nähschule (seit 1833) wird den Winter über gehalten. Im Jahr 1837–38 wurde das alte Rathhaus, welches jetzt in gutem baulichem Zustande ist, renovirt und bei dieser Gelegenheit die Jahreszahl 1581 (vermuthlich die Zeit der Erbauung desselben) entdeckt. Manche Wohnhäuser des Ortes beweisen durch Jahrzahlen, die in die Eckpfosten eingeschnitten sind, ihr hohes Alter; der Bau der Mehrzahl der Häuser fällt in die Zeit von 1580–1640; sie zeichnen sich durch dauerhafte Bauart und durch phantastische Behandlung des eichenen Gebälkes aus und beurkunden günstige, wohlhabende Zeitverhältnisse.

Die im Durchschnitt bemittelten Einwohner sind sehr fleißig, geordnet und sparsam. Zu dem wohlthätig wirkenden religiösen Verein der s. g. Gemeinschaft halten 250 Mitglieder. Es gibt nur wenige Reiche; die Summe der versicherten Passivcapitalien der Gemeindeangehörigen beträgt 175.000 fl. der Besitz der 6 größten Grundbesitzer bewegt sich zwischen 24–32 Morgen. Dagegen sind auch nicht viele Arme (nur

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt. J. B. Müller's Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1851, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartAmt_112.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)