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Feuerbach letztmals vorgekommen. Die allgemeinste Volksbelustigung, der Tanz, ist im Oberamtsbezirk, namentlich in den Filderorten seltener als irgendwo. Nur selten wird bei Hochzeiten und Kirchweihen und in Plieningen und Waldenbuch an den Jahrmärkten noch getanzt.[1] In den Orten Bernhausen, Heumaden, Kemnath, Leinfelden, Musberg, Ruith, Scharnhausen, Steinenbronn, Stetten und Ober- und Unter-Sielmingen findet diese Belustigung schon lange gar nicht mehr Statt.

Ein alter Gebrauch ist das Pflanzen von Linden auf erhabene Punkte, an Scheidewegen oder an Stellen, wo sich irgend etwas Wichtiges ereignete. Eine schöne Sitte, die nie abgehen sollte. Bei mehreren Gemeinden des Bezirks findet man noch in der Mitte des Dorfs oder sonst auf einem ausgezeichneten Platz desselben eine Linde, unter der sich Abends nach vollbrachter Arbeit und an Sonntagen Alt und Jung versammelt. Besondere Ehre ist diesem Ortsbaum in Heumaden angethan, wo man ihn erst in neuerer Zeit mit einem gemauerten Käse umgeben hat. Andere Gemeinden, die ihn noch besitzen, sind: Möhringen, Plieningen, Bonlanden, Musberg und Weidach, hingegen hat ihn Ober-Sielmingen vor Kurzem abgehauen, zu Ruith ist er in Folge von Vernachlässigung und Mißhandlung abgestorben, und in Kemnath wurde ein nutzbringender Birnbaum an seine Stelle gesetzt. Löblich ist die Sitte, daß man noch in den Dörfern beim Grauen des Tags und am Ende der Abenddämmerung Ave Maria läutet; jenes bezeichnet die Mahnung zur Arbeit, dieses ist Vielen noch eine Aufforderung zum Gebet, wobei gewöhnlich die Worte dienen:

„Ach sei bei uns, Herr Jesu Christ,
Dieweil es Abend worden ist.“

Die Mundart steht zwischen der oberschwäbischen und fränkischen mitten inne. Sie ist nicht so kräftig , aber auch nicht so hart wie jene, und nicht so weich und marklos wie diese. Der Oberschwabe betont z. B. au stets mit vortönendem u öfters so sehr, daß das a gänzlich verschwindet. Der Mittelschwabe spricht einzelne Worte mit vortönendem u, andere mit vortönendem a, der Franke hingegen betont das au durchgängig mit a und zwar häufig so stark, daß das u gar nicht mehr gehört wird. So wird in unserem Bezirk Braut, Kraut, trauen, bauen mit vortönendem u ausgesprochen, was sich ganz dem oberschwäbischen Dialekt nähert,

  1. Die Kirchweihe wird gehalten am 1. Trinitatissonntag in Heumaden, am Sonntag vor dem 25. Juli in Gaisburg, am Sonntag vor dem Mattheusfeiertag in Bothnang, am 2. Sonntag im Septbr. in Feuerbach, am 17. Trinitatissonntag in Kaltenthal, am 3. Sonntag des Monats Oktober in Echterdingen, Kemnath, Möhringen, Musberg, Plattenhardt, Plieningen, Rohr, Scharnhausen, Steinenbronn, Ober- und Unter-Sielmingen, Stetten, Vaihingen, Waldenbuch, Leinfelden, am Sonntage nach Gallus, Mitte Oktober, in Bernhausen, Bonlanden, Harthausen, am 1. Sonntag im Novbr. in Ruith, an Martini oder am Sonntag nachher in Degerloch, am Sonntag nach dem Karlstag, im Nov., in Birkach.
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt. J. B. Müller's Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1851, Seite 044. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartAmt_044.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)