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dunkel, die Mythen und Urirothstock am Vierwaldstättersee. Dann aber nach einem bunten Felsengewirre der Urner und Unterwaldner Berge beginnt der entzückendste Theil der ganzen Rundschau. Hoch über Rigi und Pilatus stehen hier, in der unvergänglichen Schönheit ihrer Formen, die Berner Alpen: Finsteraarhorn, die Schreckhörner, die drei Wetterhörner, der Eigner und die Jungfrau. Endlich vorüber an immer neuen Zacken und Zinken bis zum Aletschhorn, zum großen Nesthorn und dem riesenhaften Matterhorn; ja man will sogar schon, noch weiter im Westen, gegen den Lupfen hin, den König der Alpen, den Montblanc, gesehen haben.

Kehren wir nun wieder Stadt zurück, um ihre wichtigsten Gebäude zu betrachten.

Der Gemeinde gehören: die dem h. Petrus und Paulus geweihte Pfarrkirche; sie steht so ziemlich in der Mitte der Stadt, etwas erhöht, wenn man die Bahnhofstraße herein kommt zur Linken, und soll in den nächsten Jahren durch einen prächtigen gothischen Neubau, nach dem Entwurf des Professors R. Reinhardt in Stuttgart, ersetzt werden.

An der jetzigen, außen ziemlich unscheinbaren Kirche stammt nur der nördlich am Chor stehende 40,3 m hohe Thurm aus alter Zeit, während die Kirche selbst um das Jahr 1723 (diese Jahreszahl steht über dem Portal der ganz kahlen Westseite) in schlichtem Rococostil mit vieleckig schließendem, von schwachen Strebepfeilern besetztem Chor errichtet wurde. Das Innere dagegen ist reich und ansprechend verziert und mit drei großen, im spätesten Renaissancestil gehaltenen Altären ausgestattet. Die Decke des Schiffes ist flach, der Chor mit Gratgewölben überspannt, die auf Engelchen aufruhen. Im Hochaltar sieht man das große Ölbild gemalt von dem berühmten Maler J. Fr. Dietrich aus Biberach (1787–1846): Christus übergibt dem Petrus die Schlüssel. Die Seitenaltäre besitzen von Dietrich übermalte Ölbilder und sind, gleichwie der Hochaltar, in reichen Renaissance-Ornamenten gefaßt, ebenso die Kanzel und die auf hoher, von gedrehten Holzsäulen getragener Empore ruhende Orgel; denselben Stil haben die Chorstühle und die Kirchenbänke. Über dem nördlichen Eingang des Schiffes hängt in üppiger Rococofassung ein schönes altes Madonnenbild (Gemälde). In den fünfstöckigen Thurm führt durch die Nordwand des Chores eine frühgothische Pforte, der einzige Überrest der ursprünglichen Kirche. Der Thurm selbst, im untersten Geschosse tonnengewölbt, wurde

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Spaichingen. H. Lindemann, Stuttgart 1876, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OASpaichingen0208.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)