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der kirchlichen Vorschrift gehalten; in der Klage (Leichenzug) gehen die leidtragenden Männer voran, ihnen folgen die übrigen männlichen Personen, an welche sich alsdann die leidtragenden weiblichen Personen nebst den andern anschließen. Die früher allgemein üblichen Leichenschmäuße nach dem Trauergottesdienst sind in neuerer Zeit vollends ganz abgegangen.

Das Tanzen hat sehr abgenommen und ist nur noch an Hochzeiten allgemein, während an Kirchweihen seltener, in den meisten Orten gar nicht mehr getanzt wird.

In Spaichingen wird im Monat Mai alle 2–3 Jahre ein Kinderfest auf einem freien, am Walde liegenden Platze abgehalten, wobei sich die Schüler mit Turnen und verschiedenen Jugendspielen unterhalten, und mit Gaben und ausgesetzten Preisen erfreut werden. Die Schuljugend zieht in feierlichem Zuge mit klingender Musik auf den Festplatz, auf dem sich auch die Eltern und überhaupt die Einwohner von Spaichingen einfinden, und bei herbeigeschafften Erfrischungen das Vergnügen der Jugend theilen.

Von den Volksspielen ist das Kegelschieben ziemlich allgemein, dagegen das Kartenspiel seltener als in vielen Gegenden des Landes; das Scheibenschießen ist nur in der Oberamtsstadt üblich.

Am Neujahrsmorgen wird C. M. B. (die Namen der drei Könige) wieder frisch an die Stuben- und Stallthüren geschrieben. Am Lichtmeß werden die Kerzen und an Mariä Himmelfahrt die Kräuterbüschel, in welche man gerne Johanniskraut bindet, geweiht.

Der Aberglaube hat sich unter dem Volke noch nicht ganz verdrängen lassen und immer noch spukt es zur Advent- und Fastenzeit mit Geistern, ebenso glaubt man noch an Hexereien, besonders bei Kühen, wenn sie keine Milch geben, auch bei Stallepidemien.

Grillen und Spinnen im Hause bedeuten Glück; den Eßlöffel fallen lassen bedeutet Unglück; wenn eine Gans auf einem Fuß steht, gibts Regenwetter; wenn „Adehäzen“, d. i. Elstern, um ein Haus fliegen, stirbt bald Jemand darin; wenn Jemand im Haus stirbt, soll man alle beweglichen Gegenstände, namentlich die Bienenstöcke, anders stellen etc.

Die Volkstracht beginnt auch im diesseitigen Bezirk allmählig zu weichen und einem geschmacklosen Gemenge von ländlicher und städtischer Tracht den Platz zu räumen; insbesondere

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Spaichingen. H. Lindemann, Stuttgart 1876, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OASpaichingen0108.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)