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hinter ihm; er thront auf einem Stuhl von Wolken und über seinem lang gelockten Haupte ziehen Wolken, aus denen vier Engel hervortauchen, die zwei oberen Posaunen blasend, die zwei zu Seiten mit Marterwerkzeugen. Links (vom Beschauer) knieen neben Christus drei weibliche, rechts drei männliche Heilige; darunter sieht man die Auferstehung der Todten und die Abführung in Hölle und Himmelreich. Der Heiland ist dargestellt mit halbausgebreiteten Armen, sein langlockiges Haupt blickt gerade hinaus mit mildem Ausdruck, sein Leibrock ist eng und vielfach, noch halb byzantinisch, doch sehr schön gefältelt. Die Steinplatte des Bogenfeldes ruht auf zwei Konsolen, aus denen je ein streng und scharf ausgearbeiteter musizirender Engel hervorragt. An den Konsolen sieht man als Steinmetzzeichen je ein tiefeingemeißeltes h. Über dem sehr reich profilirten Portal erhebt sich ein hoher Wimperg, innen mit dem segnenden Christus, der auf prächtiger in eine Maske ausgehender Blätterkonsole steht; die beiden Enden des Wimpergs stemmen sich auf zwei halbzerstörte schlanke liegende Menschengestalten; der Tracht nach zu schließen, Steinmetzen, oder Baumeister. Außerhalb des Wimpergs stehen dann unter ihren Baldachinen die lebensgroßen Bildsäulen der zwölf Apostel. Weiterhin sind die sich gegenüber stehenden Eingänge der beiden Treppenthürme in ihren Bogenfeldern geschmückt mit halberhabenen Darstellungen von größter Schönheit: das eine Bogenfeld (rechts) enthält, vortrefflich in den engen zugespitzten Raum hineingedrängt, das sog. Brautrelief, einen Ritter und eine Jungfrau mit einem Kranz von Rosen um’s Haar, beide knieend und sich die Hände reichend, und in der so kleidsamen schlichten eng anliegenden Tracht des vierzehnten Jahrhunderts. Das gegenüberstehende Bogenfeld wird von einem ähnlich schönen Relief erfüllt; zwei (ebenfalls kauernde) Männer, ein alter und ein jugendlicher, halten zusammen das aufgeschlagene Buch des Evangeliums. Auch weiter oben an den Treppenthürmchen sitzen in den Lünetten der zwei zu der jetzt abgerissenen Gallerie führenden Thürchen kleine schöne Reliefbilder, darunter die Krönung der Maria; ferner erblickt man an der Südwestecke des Thurmes die hohe Gestalt der Madonna mit dem (bekleideten) Christusknaben. Die große Konsole, worauf die Madonna steht, wird getragen von zwei schönen eng sich verschlingenden Engeln, und ihr zu Häupten erhebt sich ein Baldachin, worauf Christus als zwölfjähriger Knabe sitzt, darüber eine schlanke Spitzsäule. Die ganze Anordnung dieses Aufbaues, sowie die reich und nobel gewandeten, schlanken und innig bewegten Gestalten selbst, sind von hervorragender Schönheit. 1

Die Südseite des Thurmes zeigt wieder einen ganzen Kreis

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0188.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)