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Nach Vertreibung der Römer mag ein Theil der Sieger sich in der verlassenen Römerstadt niedergelassen, die noch erhaltenen Gebäude benützt, und neue dazu errichtet haben, wodurch die sog. Altstadt mit der uralten Pelagiuskirche entstand. Aber dieser Punkt war für die im Mittelalter eingetretene Vertheidigungs- und Befestigungsweise nicht mehr tauglich, es wurde ein anderer gesucht und hiezu die eine Viertelstunde nordwestlich von der Altstadt gelegenen Stelle der gegenwärtigen Stadt Rottweil aufs glücklichste gefunden, denn sie hat nun auf der linken Seite des Neckarthales über dem steilen, felsigen Thalrande zwischen zwei schroff eingeschnittenen, in das Neckarthal einziehenden Schluchten eine reizende, von Natur auf drei Seiten feste Lage. Auf der allein zugänglichen Westseite wurde die Stadt künstlich befestigt und vertheidigt. An ihrer Ostseite tritt ein schön modellirter Hügel von dem Neckarthalabhange hinaus und wird von dem Fluß in einem schönen haftenförmigen Bogen umspült, so daß er nur mittelst eines schmalen Sattels mit dem übrigen Terrain zusammen hängt. Dieser Hügel wurde ebenfalls befestigt und bildete ein starkes Vorwerk der ohnehin festen Stadt. Die Stadt selbst, legte man, wie man noch jetzt sieht, nach einem sinnreichen Plane als ein beinahe regelmäßiges Viereck an, das durch zwei breite Straßen rechtwinklich gekreuzt und in 4 ziemlich gleiche Theile getheilt wird. Gegen Osten, Süden und Westen endigten 3 von diesen Straßen ursprünglich an den 3 Thoren der Stadt, vor denen alsdann befestigte Vorstädte erbaut wurden. 1

Neben dieser für einen festen Platz so überaus günstigen Lage entfaltet die nächste und entferntere Umgegend der Stadt mannigfaltige landschaftliche Reize. Gegen Osten schweift der Blick über das freundliche Neckarthal hinweg an die nahe herantretende Keuperterrasse, über der sich ein fruchtbares mit stattlichen Ortschaften belebtes Flachland ausbreitet, in dessen Hintergrund sich die Alb (Heuberg) mit ihren kühnen Vorbergen majestätisch erhebt. Gegen Süden öffnet sich dem Auge das breite liebliche, aus bewaldeten Keuperbergen hervortretende Primthal, durch dessen üppigen Wiesengrund das muntere Flüßchen dem Neckar zueilt. Den Hintergrund bildet ebenfalls die Alb mit dem Dreifaltigkeitsberg. Etwas mehr gegen Süden wird der einsiedlerische, frei sich erhebende Hohenkarpfen noch sichtbar. Im Rücken der Stadt, gegen Westen, dehnt sich ein ebenes, fruchtbares, von Wiesengründen und kleinen Wäldern angenehm unterbrochenes Ackerland aus, allmählig hügeliger und unfruchtbarer werdend, bis es in den einen dunklen Hintergrund bildenden Schwarzwald übergeht. Wendet man sich gegen Norden, so übersieht man ein weites mit stattlichen Ortschaften belebtes Flachland, durch das sich der

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0170.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)