Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

angelegten Gärten zu besuchen; von da nach dem idyllisch gelegenen, mit Obstbaumgärten umgürteten Roßwangen, hinter dem sich der Schafberg so mächtig erhebt. Hier verlassen wir das Flachland und steigen durch die dicht mit Nadelwald bewachsenen, wildverworrenen Ausläufer der Alb hinauf zum Lochenstein, der beinahe senkrecht zwischen der Alb (Heuberg) und dem von ihr losgetrennten Schafberg aufstrebt. Auf der mühsam zu ersteigenden Kuppe des Lochensteins angekommen überrascht uns die herrlichste Aussicht, gegen Norden tief und weit in das flache Land hinein und gegen Süden in die seltsam zerrissenen, wild aufstrebenden, wald- und mattenreichen Albberge, zwischen denen sich die frischgrünen Thäler und Thälchen so reizend hinziehen. Wir verweilen nicht länger bei dieser schönen Aussicht und eilen auf den Nachbar des Lochensteins, auf den Schafberg, der wegen seiner größeren Erhebung eine noch weitere Aussicht bietet. Der Weg dahin führt an dem still und freundlich gelegenen Locherhof vorüber und von da über blumenreiche Matten, weiterhin durch schattige Laubwaldungen auf den nicht unbedeutenden, weidereichen Rücken des Schafbergs, an dessen äußerstem, nördlichem, mit Wald bewachsenem Rande uns plötzlich der sogenannte „gespaltene Felsen“ entgegen klafft. Eine großartig geborstene Felsengruppe, von der sich ein Theil des Felsenkranzes lostrennte und gegen außen schob, um vielleicht in später Zeit vollends den schroffen Albabhang hinunter zu stürzen. An der 40–50′ tiefen und etwa 350′ langen Kluft hängen wild verworrene, den Einsturz drohende Felstrümmer an den Wänden und lagern sich zum Theil in der Tiefe auf der schmalen Sohle der Spalte. Eine herrliche Vegetation von wildem Gesträuch, Moosen, Flechten, Farnkräutern und anderen Pflanzen überwuchert die Felstrümmer auf’s malerischste, besonders schön und sammtähnlich überkleiden sie das lichtgrüne Milzkraut und der Sauerklee mit seinen reichlichen, zartgeaderten Blumenglöckchen; auch verschiedene Steinbreche haben sich hier angesiedelt und treiben aus ihren auf dem rauhen Felsen plattgedrückten, rosettenartig zusammengestellten Blättern ihre hübschen Blüthen zum Lichte. Wildes Gesträuch und knorrige Waldbäume hängen über die Felsenspalte und erzwingen sich zwischen losen Trümmern ihr Dasein; zu ihnen gesellen sich seltene Straucharten, wie die Alpen-Johannisbeere und der schmalblätterige Seidelbast mit seinen purpurrothen, balsamisch duftenden Blüthen. Von hier einige hundert Schritte westlich gelangen wir zu der sog. Gaiskanzel, einem an der Gebirgskante vorspringenden Felsen, der sich gegen unten verjüngt und gleichsam frei in der Luft hängt; hier erschließt sich dem Auge eine entzückende Aussicht über das tief unten liegende Land, das sich mit seinen zahllosen Städten, Dörfern,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0022.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)