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Ernst Boger, Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oehringen

Außer diesen Thoren befinden sich noch an der Westseite der Stadt ein Thor, durch welches in der Nähe des Schlosses die vom Thal heraufziehende Hauptstraße in die Stadt führt, und südlich von diesem ein ehemaliges, jetzt zugemauertes Thor, neben dem ein kleiner Eingang hergestellt wurde. Über diesem ursprünglichen Thor erhob sich ein fester, viereckiger Thurm, von dem nur das untere, mit einem romanischen Rundbogenfries versehene Stockwerk noch vorhanden ist.

Die Stadt selbst ist klein, etwas winkelig angelegt, ringsum mit uralten, meist aus Buckelsteinen erbauten Mauern, Wall und Graben befestigt, und trägt sowohl in seinem Inneren als an seinem Äußeren noch das gut erhaltene, echte Gepräge eines im Mittelalter stark befestigten Orts.

An der nördlichsten Spitze der Stadt steht das mit in die Befestigung der Stadt gezogene, sehr ansehnliche Schloß, welches zu den mannigfaltigen malerischen Ansichten Waldenburgs wesentlich beiträgt und eine besondere landschaftliche Zierde der ganzen Umgegend bildet. Von dem Schloß, noch mehr aber von dem bis zum Knopf 116′ hohen Schloßthurm (Mändlesthurm), erschließt sich dem Auge eine weitgedehnte, herrliche Rundsicht, welche gegen Osten nach Bayern hinein bis an das Schloß Schillingsfürst, gegen Süden an die schwäbische Alp, gegen Westen an die Vogesen und gegen Norden an den Odenwald reicht. Zur Zeit der Repsblüthe lockt der Blick über das weite, in frischem Grün und Gelb schmuck gekleidete Flachland zahlreiche Besuche nach Waldenburg, wo noch vor kurzer Zeit ein von Auswärtigen viel besuchtes Lokalfest, das Repsblüthenfest, abgehalten wurde.

Auch der nahe gelegene, schön angelegte, fürstliche Wildpark Theresienberg bildet mit seiner herrlichen Aussicht einen freundlichen Ausflugspunkt für die Bewohner der Umgegend. Der Park umfaßt einen Flächenraum von etwa 300 Morgen und beherbergt gegenwärtig 80–90 Stück Damwild und 6–8 Stück Edelwild.

Das gegenwärtige dreistockige Schloß wurde mit Ausnahme eines aus sehr alter Zeit stammenden Thurms (Mändlesthurm) theils im Jahr 1529 von Georg I. größtentheils aber erst im Laufe des 18. Jahrhunderts auf der Stelle einer früher hier gestandenen Burg im einfachen Renaissancestyl neu erbaut; die Gebäude bildeten ursprünglich ein Dreieck, von dem aber die nordöstliche Seite abgetragen ist, so daß jezt der südliche und nordwestliche Flügel mit der an die Stelle des abgebrannten Flügels getretenen, mit Zinnen und Thürmen versehenen Schloßmauer einen beinahe dreieckigen Hofraum,

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Ernst Boger, Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oehringen. H. Lindemann, Stuttgart 1865, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAOehringen0339.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)