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wird. Merkwürdig ist, daß es Leute gibt, welche von ihnen fast vollständig verschont bleiben, während andere, wahrscheinlich durch ihren Ausdünstungsgeruch, eine ganz besondere Anziehungskraft auf sie ausüben. Ganz verkehrt ist der Glaube, daß diese Thiere aus Amerika eingewanderte Muskitos seien.

Eine andere merkwürdige Erscheinung unseres Bezirks bildet der sogenannte Augst im unteren Neckar-, Jagst- und Kocherthal. Es ist dies eine große weiße Eintagsfliege mit gelblichem Leib, Palingenia virgo. Die Larve dieses mit 3 langen Schwanzborsten versehenen Insekts lebt im Wasser am schlammigen Ufer der Flüsse, in welchem Zustande dieselbe Uferaas genannt wird. Das ausgebildete Insekt fliegt an warmen Augustabenden von der Dämmerung bis nach Mitternacht. Es erscheint plötzlich in solchen dichten Massen, daß die Luft wie von einem dichten Schneegestöber davon erfüllt ist, und eine solche rasch sich fortbewegende Wolke kann viele Minuten lang dauern, bis sie allmählig dünner werdend ihren Zusammenhang verliert. Aber auf stundenweite Entfernungen fliegen dann noch die zerstreuten, wiewohl noch immer sehr zahlreichen Fliegen in der Nähe der Flüsse, namentlich gerne den Lichtern und Laternen der Wohnungen und Straßen zu. Am nächsten Morgen sind alle todt, und ihre Leiber bedecken Brücken und Wege in der Nähe der Flüsse zuweilen zollhoch, so daß sie mit Karren fortgeführt werden müssen. So oft man eine solche Eintagsfliege fängt, läßt sie augenblicklich einen weißen Ballen in der Form zweier zusammenhängenden Würste fallen; es sind dieses die Eier, wohl auch der Samen dieser Thiere, welche sie über dem Wasser fliegend von selbst fallen lassen. Diese Eierballen bilden eine vorzügliche Nahrung für die Fischbrut, wie auch die ins Wasser gefallenen todten Insekten, und später die ausgeschlüpften Larven. Es ist deshalb dieses Thier für die Fischerei sehr nützlich. Kleinere und weniger zusammenhängende Züge dieses Insektes sind alljährlich an Kocher und Jagst zu beobachten, die ganz großen Heermassen erscheinen nur selten, wenn gerade die Bedingungen zu ihrer Entwicklung günstig waren, namentlich keine gar zu großen Überschwemmungen im Frühjahr die Larven mit dem Uferschlamm fortgerissen hatten. Eine ausführliche Beschreibung des Lebenslaufs dieser Thiere findet man unter Anderem in Okens Naturgeschichte, Band 5 Seite 1473–1484.

Von Käfern, deren große Mannigfaltigkeit im unteren Neckar-, Kocher- und Jagstthal von mir vielfältig beobachtet

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Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Neckarsulm. Kohlhammer, Stuttgart 1881, Seite 069. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OANeckarsulm0069.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)