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Das Gefäll der beiden Flüsse ist auf der Strecke im Jura, also im Oberlauf am stärksten; es beträgt beim Kocher 0,442 %, bei der Jagst 0,326 %.

Im Keuper ist das Gefäll sehr schwach, beim Kocher 0,155 %, bei der Jagst sogar am kleinsten auf dem ganzen Lauf, nämlich 0,105 %.

Von der Rothmündung bei Gaildorf bis Ingelfingen fällt der Kocher um 122 m oder 0,189 %, die Jagst von Jagstheim bis Klepsau um 172 m oder 0,231 %, während die Mächtigkeit der von beiden Flüssen durchbrochenen Schichten der Lettenkohle, des Hauptmuschelkalks, der Anhydritgruppe, des Wellenkalks und Dolomits zusammen mindestens 220 m beträgt. Der Schichtenfall geht somit auf dieser Strecke dem Flußlauf entgegen.

Von Ingelfingen bis zur Mündung in den Neckar beträgt das Gefäll des Kochers 60 m oder 0,120 %, das der Jagst von Klepsau bis zur Mündung 99 m oder 0,128 %. Auf diesem Wege durchbrechen die beiden Flüsse die Schichten vom bunten Sandstein bis zum oberen Hauptmuschelkalk mit einer Mächtigkeit von 185 m, die Schichten fallen somit stärker als die beiden Flüsse, die auf dieser Strecke, wo sie in der Richtung des Schichtenfalls, also über die Schichtenköpfe hinweg fließen, ein schwächeres Gefäll haben, als auf dem Weg von der Lettenkohle zum bunten Sandstein, wo die Schichten in der Richtung gegen den Fluß fallen.

Dieser ausgezeichnete über 160 km lange Parallellauf von Kocher und Jagst ist keineswegs durch die Stellung der Schichten bedingt. Vielmehr wäre der Umstand, daß die Jagst durchaus höher liegt als der Kocher, einer Vereinigung beider Flüsse nur günstig gewesen. In der That geht auch unter den Bewohnern des Jagstthales da und dort die Sage von einem unterirdischen Zusammenhang beider Flüsse: es soll Wasser in der Jagst verfallen und im Kocher wieder zu Tag treten. Ja unterhalb Jagsthausen und Sindringen, wo sich Jagst und Kocher auf 11/2 km Entfernung nahe treten, sind die beide Thäler trennenden Gebirgsschichten eingesunken und liegen die Schichten an den Pfitzhöfen und auf der Höhe der Straße von Jagsthausen nach Sindringen tief unter dem gleichen geognostischen Horizonte am Trautenhof und den Pfahläckern, auch führt an diesem Punkte ein tiefer Wasserriß vom Kocherthal bis hart an den Rand des Jagstthales.

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Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Neckarsulm. Kohlhammer, Stuttgart 1881, Seite 009. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OANeckarsulm0009.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)