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Branntweingenuß ist hier weniger allgemein, als in so vielen andern Orten. Die ökonomischen Umstände gehören zu den besseren im Oberamte; es gibt einige vermögliche Güterbesitzer, aber doch auch gegen dreißig arme Familien. Die Gewerbtreibenden sind meistens Lohnweber und wandernde Maurer; auch wird einiger Kleinhandel mit Viktualien getrieben. Unter den Nebenbeschäftigungen der Armen nennt man das Sammeln der in der Gegend häufigen Camillen für die Apotheken. Der Ort hat zwei Schildwirthschaften, eine oberhalb des Dorfes am Neckar gelegene schöne und große Mahlmühle und ein Gemeindebackhaus.

Dem Gemeindevermögen haben die oben erwähnten Neckarbauten der letzten Jahre sehr empfindliche Opfer auferlegt. Neben dem Schafweide-Pacht (jährlich 200 fl.) bezieht die Commune aus dem Gras- und Obst-Ertrag des Wasen eine namhafte Revenue, in guten Jahren von etwa 1500 fl. Auch besitzt sie einen schönen Laubwald von 220 Morgen und ungefähr 5 Morgen Nadelholz. Das Stiftungsvermögen ist durch die Wiederherstellung des Thurms, gegen succesive Erstattung von der Gemeinde, stark angegriffen worden. Die Armenstiftungen sind mit einem Capital von 2550 fl., als Antheil an der Nürtinger Hospital-Stiftung, bereichert worden. – Sämmtliche Zehnten, und zwar den kleinen für die 1835 verwandelte Pfarrstelle, bezieht der Staat. Ein Theil des Großzehnten rührt von dem Kloster Adelberg. Das Kloster Salmannsweiler hatte hier drittheilige Höfe, deren Güter noch jetzt zur Hälfte der Meßnerei (im Betrag von 70 fl.) zehnten. Das Fischrecht ist Eigenthum der hiesigen Fischer und zinst dem Staat.

Das Dorf hat eine schöne Lage, theils im Thal der Straße nach Köngen entlang, theils an und auf einer Anhöhe, von welcher eine reizende Aussicht sich darbietet, ist ziemlich weitläuftig gebaut und hat neben manchen armseligen Wohnungen auch einzelne stattliche, von Wohlhabenheit zeugende Häuser. Die öffentlichen Gebäude sind sämmtlich hoch gelegen. Die von dem Begräbnißplatz umgebene Kirche ist vielfältig erneuert, namentlich

    eigentliche Propst des Klosters zum heil. Grab in Denkendorf († 1560), ein einsichtsvoller und wohlgesinnter Mann, der, als er die Klostergüter in Württemberg für ihre stiftungsmäßige Bestimmung nun einmal verloren sah, den Herzog Christoph vermochte, die Einkünfte derselben wenigstens theilweise zur Unterhaltung geistlicher Schulen zu verwenden. Sattler, Herzoge IV., S. 98. Ob ein früherer Denkendorfer Propst, Heinrich Gutzmann oder Jutzmann († 1477), auch Henricus de Ensingen genannt, aus Ober- oder Unter-Ensingen war, findet sich nicht aufgezeichnet. Schmidlin, Beiträge II. S. 49, 53.

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August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_221.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)