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die noch umgeben sind von Mauern und breitem Graben und wie eine feste Burg mit Steingiebeln, Thürmen und Thoren sich erheben. Obstbäume wachsen jetzt im breiten Graben, wildes Gesträuch und Epheu schlingt sich an den Mauern hinauf. Die Kirche, die ein längliches Viereck mit schief zu einander stehenden Giebelseiten bildet, wurde laut Inschrift erbaut 1571–74 und steht mit ihrer östlichen Giebelseite an der hohen Umfassungsmauer des Pfleghofes. An ihrer Nordseite erhielten sich einige Spitzbogenfenster, an ihrer Südseite dagegen sind unschöne flachbogige Fenster eingebrochen; hier führen auch zwei Portale herein, jedes mit der Jahreszahl 1574, und eine Tafel mit folgender Inschrift ist eingelassen: Als man zalt 1571 ist von meinem gnedigen Fürst und Herrn Hertzog Ludwig zu Wirtemberg mir Sebastian Dreher von Lewenberg derzeit Amptman zu Derdingen befelch geben solche kirch zu bawen. Das sich dan bis sie erbawen worden in 3. Jar verzogen. Hat in der Zeit der Scheffel Kernen golten 12 Gülde. rocken 9. der schöfel Dinkel fünfthalben gülde. der haber ... das fuoder wein 140 Gülde. die scheiben saltz ... und durchaus Allding des vor nie erhört zum Höchsten und Theuersten gewesen. Am Ostgiebel steht auch 1574. Das flachgedeckte Innere besitzt ein großes Krucifix aus dem 16. Jahrhundert von auffallend schöner, feiner und weicher Körperbildung und großartigem Ausdruck des Gesichtes. An der Ostwand steht eine Grabplatte, worauf eine sehr hübsch gearbeitete, halblebensgroße weibliche Figur betend dargestellt ist. Die Umschrift lautet: Anno. 82. (1582) 2. Septemb. starb. die ehrn und tugentsam fraw Barbara amptmanns zu Derdingen Jacob flecken hausfraw. got geb ier frolich ufersteung. An der Nordwand hängt ein gemaltes Epitaphium von 1609; der Taufstein ist gothisch verziert. Die neue große Orgel wurde 1855 von Schäfer in Heilbronn um 2435 fl. gefertigt.

Der südlich frei neben der Kirche stehende umfangreiche Glockenthurm war einst ein frühgothisches Steinhaus aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts und erst in späten Zeiten wurde ihm ein riesenhaftes achtseitiges Zeltdach von Schiefer aufgesetzt. Unter dem Gebäude befindet sich ein großer Keller. Dieses sehr sorgsam aus schöngelben Keuperwerksteinen zusammengefugte Steinhaus hat viele zarte, aus Einem Stein geschaffte Spitzbogenfenster von der alten gedrückten Form; innen weiten sich zum Theil diese Fensterchen zu breiten bequemen Nischen mit Sitzbänken, und man sieht wohl, daß hier einst Wohnräume waren. Über dem gegen Westen befindlichen Eingang steht die später eingemeißelte Jahreszahl 1553.

Von den drei verzierten Glocken haben die beiden größeren die Umschrift: Paulus Strobel von Speyer gos mich anno Domini 1752, und sind mit dem württembergischen Wappen und einem Rost geschmückt, auf der dritten Glocke steht: Gegossen von L. Neubert

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0193.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)