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Schutte. Die hohen Fenster sind jetzt wohlthuender Weise mit Scheiben, worin gelbe Halbmonde, erfüllt, aber freilich es fehlt noch viel zu der ursprünglichen Pracht, da die Fenster wie kostbare Teppiche in feurigen und doch wieder gedämpften Farben erglühten, Kapitelle und Gliederungen vergoldet, Wände und Decken mit Fresken bemalt waren; und ein Blick hinaus zum offenen Westportal fiel draußen im zartgewölbten luftigen Quellhaus auf die silbernen Wasser, die von Schale zu Schale fröhlich herabrauschten, dahinter der sonnige Klostergarten, umschlossen von den grauen Mauern des Kreuzganges und der Kirche.

Das Äußere des Sommerrefektoriums stellt sich als eine schlichte gediegene Masse dar, schön sind daran die hohen Rundbogenfenster, je zu zwei zwischen den einfachen Strebepfeilern; und namentlich die von vier solchen Fenstern durchbrochene Giebelseite (Nordseite), welche an beiden Ecken durch die in Einer Flucht mit ihr hinaustretenden Strebepfeiler verbreitert wird; beide Giebel tragen Steinkreuze und das steinerne Dachgesimse ruht auch hier auf Halbmondkonsolen. Die zwei an der Ostseite im jetzigen sog. Kalefaktorium hervortretenden Strebepfeiler, sowie ein jetzt halbvermauertes Fenster beweisen, daß das Gebäude gegen Osten einst ganz frei stund. Vom Kreuzgang herein geht ein großes, von zwei Säulen besetztes rundbogiges Portal, dessen halbrundes Bogenfeld (ähnlich wie am Paradiese) von einer großen Blätterrosette geschmückt ist.

Zwischen beiden Refektorien befand sich die alte Küche, wo der Sage nach auch Doktor Faust gehaust habe; das Volk beruft sich dabei auf einen in der Nähe der Nordwestecke des Kreuzganges eingemeißelten romanischen Drachen. Östlich am Sommerrefektorium liegen einige gewölbte Räume, der eine von zweifelhafter Bestimmung, der andere wohl die Feuerstätte für die darüberliegende, durch Röhren mit ihr verbundene, auch gewölbte Rauchkammer, das sogenannte Kalefaktorium. Daneben, an der Nordostecke des Kreuzganges, liegt malerisch die schon genannte gothische Treppe, schön überwölbt und mit zierlichem Steingeländer versehen. Sie führt durch eine Pforte, die im Bogenfelde den Gekreuzigten ausgemeißelt hat, und dann in zwei auch von Rippenkreuzgewölben übersprengten Armen hinauf nach dem vom nördlichen Querschiff der Kirche in einer Länge von 210′ sich ausdehnenden, schon oben genannten Dorment, und vorher noch in untere Räume, links in die Rauchkammer, rechts in eine rippengewölbte, von Rundsäulen gestützte Halle des Ostflügels, wahrscheinlich die Bibliothek; Bilder von weisen Männern an der Wand, darunter das des Empedokles, deuten darauf hin. Dann sieht man hier neben dichtem grünem Laubwerksgeschlinge eine große Freske, Christus predigend unter Bischöfen und Pilgern. An diesen Raum stößt, einst mit ihm zusammenhängend, die sog. Geißelkammer.

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0154.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)