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erfüllt und mußten eine herrliche Wirkung thun, wenn sie auch einen leichteren und fremdartigen Ton in die alte Basilika brachten. Im Jahre 1421 kam aber Abt Albrecht auf den Gedanken, die Kirche gothisch verbreitern und einwölben zu lassen; Baumeister war Laienbruder Berchtold, ein in seiner Kunst wohl erfahrener Mann, und dieser überspannte die bis dahin außer Querschiff und Chor flachgedeckte Basilika mit Rippengewölben und legte an das südliche Seitenschiff eine Reihe von zehn rippenkreuzgewölbten Kapellen. Die Gewölbe des Hochschiffes stützte er durch Strebebögen, die er an hohe, aus den Umfassungswänden der Seitenschiffe aufsteigende Spitzsäulen anfallen ließ, und so sieht man aus den Pultdächern der beiden Abseiten eine Reihe mit Blumen besetzter Spitzsäulen sich erheben. Das schon genannte Kapellenschiff erscheint gegen außen als ziemlich niedrige Wand mit zehn breiten, von großlöcherigem spätgothischem Maßwerk erfüllten Spitzbogenfenstern, zwischen denen einst wasserspeiende Thiergestalten herausragten. Alle diese Änderungen und Anbauten sind aus rothem Keuperwerksteine, während der alte Bau ganz aus dem schönen grünlichgelben, warmtonigen Keuperwerksteine besteht. Aber nicht bloß durch die Farbe, auch durch die Ausführung sticht der alte Bau bedeutend ab gegen das nicht untüchtig ausgeführte Neuere; namentlich die Oberwände des Mittelschiffes mit ihren zehn großen glatt eingeschrägten Rundbogenfenstern, darüber dem klaren Rundbogen- und Zahnschnittfriese und dem schönen Kranzgesimse scheinen in ihrer ganz feinen Fugung und ganz trefflichen Arbeit wie erst seit gestern gemacht. Die nun theils verdeckte, theils verschwundene Umfassungsmauer des südlichen Seitenschiffes hatte ein schlichtes Kranzgesims und schlanke Rundbogenfenster; von beiden sind noch Spuren vorhanden. 1

Treten wir in die Kirche selbst ein, so empfangen wir auch hier trotz aller gothischen Eingriffe den Eindruck eines Baues aus einem Gusse; die hier erscheinenden Hauptformen sind zu einfach, kraftvoll, ruhig und wahr. Starke rechtkantige, an der innern Seite von kräftiger Halbsäule besetzte Pfeiler tragen die zehn tiefen halbrunden Arkadenbögen, welche das Hauptschiff mit seinen halb so hohen Seitenschiffen verbinden und auf denen die hohe Wand des Hauptschiffes ruht, oben durchbrochen von der das volle Tageslicht spendenden Reihe zehn hoher Rundbogenfenster. Statt der einst reichvergoldeten flachen Holzbalkendecke spannt sich jetzt ein scharfrippiges Netzgewölbe über diesen Fenstern; der Chor hat noch das alte romanische Rippenkreuzgewölbe, und so herrscht in der ganzen Deckenbildung dieses hohen und tief hinabreichenden Raumes Einheit und Harmonie, die alte Decke wird kaum vermißt, dazu der prachtvolle Abschluß des Chores durch das große gothische Fenster und in der Mitte des Hauptschiffes vor dem Lettner jenes gewaltige sandsteinerne Krucifix, das dunkel und

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0136.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)