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dieser Richtung die kunstsinnigen Mönche von Maulbronn ausübten, nicht verkennen, namentlich findet man noch manches Gebäude mit hübsch verziertem Balkenwerk. Aus der Volkstracht ist fast alles Eigenthümliche verschwunden und an ihre Stelle ein unschönes Gemenge von französischer Mode und der ehemaligen anständigen Volkstracht getreten. Indessen trifft man immer noch Einzelne, die wenigstens theilweise der Tracht ihrer Väter treu geblieben sind und den dreieckigen Hut, wie die gelben Lederhosen, den blauen Oberrock oder das blaue Wamms tragen. In den Orten Illingen, Klein-Villars, Ölbronn und Ötisheim ist diese Tracht, zu der sich sogar zuweilen noch das rothe oder dunkle Manchester-Brusttuch gesellt, noch ziemlich allgemein. Von bemerkenswerthen Volksgebräuchen ist nicht viel auf unsere Zeit gekommen. Im Mai sind Gänge in den Wald in der ersten Morgenfrühe unternommen beliebt, wie angegeben wird, weil Luft und Thau in diesem Monat sich durch heilsame Eigenschaften auszeichnen. So lange neugeborne Kinder noch nicht getauft sind, wird das Licht die Nacht hindurch brennend erhalten, um schädlichem Einfluß aus finstern Regionen den Zugang zu verwehren. Der vielverbreitete Gebrauch bei Taufen und Hochzeiten mit Pistolen zu knallen, findet auch im Bezirk manche Verehrer. In Derdingen, wo ehedem das Kloster Herrenalb begütert war, und eine Niederlassung besaß, wird um Lichtmeß den Ersten des Orts eine in Kuchen bestehende Gabe durch Berittene dargebracht, eine Sitte, die sich von der Obliegenheit herschreibt, welche vormals die Inhaber einer Bannmühle hatten, ähnliche Viktualien ins Kloster zu liefern (s. hier. die Ortsbeschreibung von Derdingen). In Dürrmenz tragen Mädchen, welche Pathenstelle vertreten, einen Blumenkranz auf dem Kopf. In Lienzingen wird an der Kirchweih von den ledigen Burschen noch das sogenannte Gassenmachen geübt; sie ziehen mit Musik im Dorf herum und lassen vor dem Pfarrhaus, dem Schulhaus etc., auch vor den Häusern ihrer Geliebten, Musik machen. Das früher allgemeine Eierlesen am Ostermontag ist längst abgegangen und wird nur zuweilen noch in Ötisheim ausgeführt. Der Tanz ist selten geworden und in den meisten Orten nur noch an der Kirchweihe, noch viel seltener bei Hochzeiten, die ohnehin meist einfach abgehalten werden, üblich.

Die Mundart bildet einen leichten Übergang von der schwäbischen in die pfälzische; das Breite der schwäbischen Sprachweise wird hier durch das Annähern des pfälzischen Dialekts, welcher sich namentlich im westlichen Theil des Bezirks ziemlich bemerklich macht, wesentlich gemildert, ohne jedoch das gemüthlich Kräftige und die bezeichnenden eigenthümlichen Ausdrücke des schwäbischen Dialekts zu verdrängen.

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0075.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)