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Das dreistockige, ziemlich alte Rathhaus mit einer Uhr und einem Thürmchen mit Glocke auf dem First, steht auf einem freien Platz an der Vereinigung der beiden Hauptstraßen.

Überdieß stehen im Eigenthum der Gemeinde: eine großartige Kelter mit 4 Bäumen, 4 Pressen, 3 Trotten und 2 über einander gelegenen Fruchtböden, ferner 3 Backhäuser und ein Waschhaus.

Am östlichen Ende des Orts stand das Schloß des ehemaligen Wolff’schen Freiguts, von dem nur noch ein Stück der ursprünglichen Umfassungsmauer und 2 Halbrondele stehen; an die Stelle des 1841 niedergerissenen Schlosses sind 1842 Ökonomiegebäude getreten. Außerhalb des ehemaligen Schloßraums wurde von dem gegenwärtigen Besitzer ein schönes Wohngebäude nebst ansehnlichen Ökonomie- und Wirthschaftsgebäuden mit großartiger Brauerei erbaut. Das Schloß nebst Zugehör wurde im Jahr 1831 von Georg Philipp Weiß Erben in Stuttgart an den Buchhändler E. Schweizerbarth verkauft, der es im Jahr 1861 an den gegenwärtigen Besitzer A. Ebner in Stuttgart wieder verkaufte.

Sehr gutes Trinkwasser liefern hinreichend 6 laufende, mittelst einer 3/4 Stunden langen Wasserleitung gespeiste Brunnen, worunter der vor dem Rathhaus stehende vierröhrig ist; auf der Brunnensäule sitzt ein Löwe, der das Ortswappen hält, und steht die Jahrszahl 1750. Der Ablauf des Brunnens und ein von der Ziegelhütte herkommendes Wasser bilden einen kleinen Bach, der nach kurzem Lauf in den Neckar mündet. Auch die 1/8 Stunde östlich vom Dorf stehende Ziegelhütte ist mit 2 laufenden Brunnen und einer kleinen Wette versehen. Die Markung selbst ist ziemlich wasserarm, mit Ausnahme einer starken, am obern Rande des Käsbergs hervortretenden Quelle, die ihr Wasser unbenützt in den Neckar abgiebt. Der nahe fließende Neckar tritt zuweilen aus seinem Bette, ohne jedoch Schaden anzurichten. Die Fischerei in demselben, welche sich hauptsächlich auf Barben, Weißfische, Schuppfische, Hechte und Aale beschränkt, ist Eigenthum des Ortsmüllers und der Besitzer des Schreyerhofs. Eine Fähre führt über den Neckar beim Schreyerhof.

Die Einwohner, deren Erwerbsquellen in Ackerbau, Weinbau, Obstzucht und weniger in Viehzucht und Gewerben bestehen, sind im allgemeinen nicht besonders kräftig und erreichen wegen den beschwerlichen Arbeiten in den Weinbergen seltener ein hohes Alter. Bei großer Betriebsamkeit führen sie eine einfache Lebensweise; ihre Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen, indem der vermöglichste Bürger 50 Morgen, der sog. Mittelstand, welcher am stärksten

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0238.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)