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spitzbogig und letztere mit schönem spätgothischem Maßwerk geschmückt. An der Westseite der Kirche steht ein viereckiger, 200′ hoher Thurm, dem ein schlankes, schiefergedecktes Pyramidendach aufgesetzt ist; das Untergeschoß desselben bildet eine Vorhalle, mit schönem, an den Gurtenkreuzungen altbemaltem Netzgewölbe, und dem Marbacher Stadtwappen auf dem Schlußstein. Eine alte Inschrift über dem Eingang am Thurm gibt sichere Auskunft über die Baugeschichte der Kirche in folgender Weise: Anfang des kors 1450. Anfang der kirchen 1463. Anfang des turns 1481. Es liegt beinahe außer Zweifel, daß an der Stelle der jetzigen Kirche schon früher eine Kirche oder Kapelle stand, hiefür spricht nicht allein die Volkssage, sondern auch ein alter Stein mit gnostischem Bildwerk, der im Jahr 1862 bei Erneuerung der Kirchhofmauer aufgefunden wurde und wie es scheint von der früheren Kirche herrührt, wo er einem Rundbogenfenster aus der Blüthezeit des romanischen Styls angehörte. 1

Das Innere der Kirche ist dreischiffig und in den schönsten Verhältnissen ausgeführt; die Länge der Kirche, verglichen mit dem 90′ langen Chor, zeigt in runden Zahlen ausgedrückt das Verhältniß von 3:2, und die dem Chor entsprechende, an der Westseite vorgelegte Thurmhalle verhält sich zu diesem in der Länge wie 2:5; die Breite des Mittelschiffs gegenüber von jedem einzelnen Seitenschiff ist 3:2, die des erstern demnach der Gesamtbreite der Seitenschiffe 3:4; die Höhe des Mittelschiffs (40′) verhält sich zu der der Seitenschiffe wie 4:3 und zu der des um 2′ höher liegenden Chors wie 4:5. Das Mittelschiff ruht auf je 6 Pfeilern auf einer Seite, die durch Spitzbögen mit einander verbunden sind; die Pfeiler sind ohne Kapitäle und die Gewölberippen springen aus den Pfeilern selbst hervor und ruhen auf den an den achteckigen Pfeilern hinauflaufenden runden Halbsäulen, von denen die Träger der Hauptgurten des schön konstruirten Netzgewölbes mit den Brustbildern der 12 Apostel geziert sind. Auch die Seitenschiffe und der Chor sind mit Netzgewölben überspannt und zeigen sämtlich noch die alte Bemalung an den Rippenkreuzungen (roth, blau, gold); die ebenfalls bemalten Schlußsteine enthalten Darstellungen von Heiligen, deren Aufzählung zu weit führen würde; nur des östlichsten am Chorgewölbe soll hier erwähnt werden, auf dem ein von Engeln gehaltener Wappenschild dargestellt ist. Das Wappen enthält einen aufrechten Sparren zwischen Sternen. An den beiden Seiten des Mittelschiffs zieht über der Höhe der Seitenschiffe ein Triforium hin, welches vermuthlich nur zur Belebung der Wandfläche dienen soll, da sich ein

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0117.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)