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die Männer, bei Weibern die Weiber, einzeln voraus. Nur von besonders „sich anständig haltenden“ werden etwa noch fremde Gäste nebst dem Schreiner und Todtengräber zum Leichentrunk in’s Haus geladen.

So viel auch getrunken wird, so viel es auch Wirthshäuser und Trinkexcesse im Bezirke geben mag, nicht leicht wird irgendwo das Wirthshaus im Ganzen eine so geringe Rolle spielen, als hier. In manchen Orten geht der Bauer nie in’s Dorfwirthshaus; es wäre ihm Schade und gälte als Schande, solche Verschwendung von Geld und Zeit. Bei solcher Sparsamkeit erscheint es als besonders gemüthlich, wenn etwa in Großbottwar ältere ehrbare Weingärtner in der Feierstunde zusammensitzen und einander zutrinken: „I b’sieh Di!“ – „Und Du freust mi!“

Von besondern Volksspielen findet sich kaum eine Spur. Am Ostermontag kommt noch hie und da das Eierlesen vor. Die Kinder haben als einziges Spiel das „Steintätschen“ oder „Dopfelspiel“, dessen übrigens die Knaben sich schämen.

Besondere Volkssitten und Bräuche gibt es nur wenige und überdieß nicht auffallende. Beim Beginn der Ernte zieht in Mundelsheim die Schuljugend, in aller Frühe geistliche Lieder singend, durch den Ort. Am Konfirmationstage ziehen die Konfirmanden daselbst unter geistlichem Gesang in die – wie überall „bis an die Hörner des Altars“ mit Kränzen geschmückte Kirche. In Rielingshausen singt die Schuljugend am Weihnachtsabend mit einem Kästchen, an welchem transparente Engel angebracht sind, mit den Worten: „Freuet euch, denn euch ist heute der Heiland geboren“ im Dorfe herum. – In der Nacht vom Gründonnerstag wird fast überall eine Menge Laugenbretzeln von den Burschen im Wirthshaus verzehrt und den Mädchen an’s Fenster gebracht. Mädchen, welche keine Liebhaber besitzen, finden am Charfreitag-Morgen zum Spott eine mit Kohle gemalte Bretzel an ihrem Hause.

Die anständige, gut kleidende Volkstracht nähert sich täglich mehr der städtischen und ein geschmackloses Mittelding zwischen städtischer und bäuerlicher Tracht ist vorherrschend geworden, was selbstverständlich in den Städten am meisten hervortritt; dagegen hat sich in manchen Orten, wenigstens bei den ältern Personen, die altherkömmliche Tracht noch erhalten; man trifft bei den Männern noch den dreispitzen Hut, schwarze, gelbe, auch weiße Lederhosen zu langen Stiefeln, das manchesterne, dunkelfarbige oder auch das scharlachrothe Brusttuch mit eng aneinander gereihten Rollknöpfen, den blauen

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0052.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)