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Wöchnerinnen nur Hilfe gesucht wird, wenn die Beendigung einer Geburt durch Naturhilfe geradezu unmöglich wird. Leider treten häufige Nachkrankheiten ein, die eine natürliche Folge geringer Schonung sind. Schon nach einigen Tagen verlassen Wöchnerinnen ihr Bett wieder und unterziehen sich allen möglichen Arbeiten.

Größere Epidemien sind selten.

Masern, Scharlachfieber, Keuchhusten, Typhus, Pocken tauchen von Zeit zu Zeit eingeschleppt auf und verschwinden gewöhnlich bald wieder.

Die Lebensweise der Bevölkerung ist im allgemeinen eine ziemlich einfache. Die Nahrung der minder bemittelten Klasse besteht in Kartoffeln und Mehlspeisen. Vermöglichere genießen ziemlich viel Fleisch, hauptsächlich Schweinefleisch, das in geräuchertem Zustand nach Monaten erst genossen wird. Die Getränke sind Wein und Most, weniger Bier. Auch der Genuß des Branntweins ist ziemlich verbreitet und der Tod in Folge unmäßigen Trinkens in einzelnen Gemeinden nicht selten.

Der moralische Charakter der Bezirkseinwohner ist im allgemeinen gut; großer Fleiß, übertriebene Sparsamkeit, viel kirchlicher Sinn, der sich häufig bis zum Pietismus steigert, bilden die hervorragendsten Charakterzüge. Auffallend verschieden von den übrigen Bezirksbewohnern sind die Bewohner der Waldorte, wie Prevorst, Nassach etc. bei denen mehr froher aufgeweckter Sinn, Gewandtheit im Umgang und eine heiterere Lebensanschauung als in den übrigen Gegenden des Bezirks getroffen wird, wo sich ein stilles, zurückgezogenes Betragen geltend macht.

Eine Schilderung des vorherrschenden Charakters, der Sitten und Gebräuche der Bezirkseinwohner, die wir dem Herrn Dekan Merz in Marbach verdanken, lassen wir hier folgen:

Der Marbacher Bezirk als ein rein protestantischer und viel weinbauender zeichnet sich geistig durch große Nüchternheit und Einfachheit aus, welche sich bis zur vollendeten Ärmlichkeit und Kärglichkeit in der äußern Erscheinung steigern kann. Auch in den wohlhabenderen Orten und Häusern läßt die übergroße Sparsamkeit nicht leicht ein Übriges thun. Der Sinn für Schönheit und Kunst, für fröhliche Entfaltung und geselligen Genuß der natürlichen Gaben kann bei der rastlosen Arbeitsamkeit nicht aufkommen. Daher ist so wenig von Jugendspielen und Volksbelustigungen wahrzunehmen. Das Kegeln kennt die ländliche Jugend fast gar nicht. Nur vereinzelt sind die Kirchweih- oder Markt- und Feiertagstänze. In

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0050.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)