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1849 erschienen auch die Menschenblattern und dehnten sich in dem Bezirke, jedoch in milder Form und sehr gutartig (als Varioliden) aus.

Geisteskrankheiten kommen im Verhältniß zu der Einwohnerzahl nicht häufig vor und haben gewöhnlich, wenigstens Anfangs, eine melancholische Richtung.

Die Krätze wird nicht zu häufig und die Lustseuche selten beobachtet. Bei der ärmeren Klasse der Einwohner, welche zuweilen in enge, feuchte Wohnungen zusammengedrängt ist und bei Mangel hinreichend gesunder Nahrung und schlechter Bekleidung im Schmutze lebt, sind scrophulöse Übel nicht ganz selten zu treffen, doch kommen die ausgeprägteren und schlimmen Folgen derselben nur wenig vor. Kröpfe sind sehr häufig, besonders zeichnet sich in dieser Beziehung Gerlingen aus; die englische Krankheit (Rhachitis) kommt selten vor.

Künstliche Hülfe bei Geburten wird im ganzen Bezirk jährlich 70 bis 90 mal nöthig.

Auffallend ist die rasche Abnahme der Sterblichkeit nach den ersten Lebensjahren, die Häufigkeit hohen Alters und die beinahe ganz gleiche Vertheilung der Gestorbenen auf die vier Abschnitte des Jahres. Selbstmorde kommen wenige vor, etwa 3-5 des Jahres, und die Todesart ist dann gewöhnlich beim männlichen Geschlecht das Erhängen oder Erschießen, beim weiblichen das Ertrinken oder Erhängen.

Als vorherrschende moralische Eigenschaften der Bewohner können Fleiß, Sparsamkeit, ernsthafter und religiöser Sinn bezeichnet werden; die in dem Oberamts-Bezirke sich besonders offenbarende Religiosität wird namentlich auch durch die eigenthümliche Brudergemeinde Kornthal (ähnlich den Mährischen oder Böhmischen Brüdern, s. die Ortsbeschr.) ausgebildet und gepflegt. Neben dem sog. Pietismus, zu dem sich ein großer Theil der Bezirksbewohner hinneigt, hat die Swedenborg’sche Lehre, namentlich in Flacht und Rutesheim Anhänger gefunden, auch wohnen auf dem zur Gemeinde Mönsheim gehörigen Lerchenhof mehrere Mennoniten. Bei den Bauern des Strohgäu’s macht sich eine gewisse Wohlhäbigkeit auch durch äußere Ehrbarkeit bemerklich.

Besondere Eigenheiten in Sitten und Tracht finden sich nicht. Der altübliche ländliche Anzug, der übrigens immer mehr von dem städtischen verdrängt wird, hat sich auf dem Strohgäu und in den Grenzorten desselben noch am meisten erhalten; er besteht in einem tuchenen, meist blauen Rock, gelben Lederhosen, Brusttüchern von braunem oder schwarzem Manchester, zuweilen auch von Scharlachtuch, mit großen Rollknöpfen besetzt, und als Kopfbedeckung dient der Dreispitz, bei den ledigen Burschen aber nicht selten die pelzverbrämte Mütze. Das weibliche Geschlecht, welches als Kopfbedeckung noch häufig das deutsche Häubchen

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Leonberg. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 029. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OALeonberg_029.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)