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Glaubensgenossen ihren wohlthätigen Sinn, indem sie in demselben Jahre mit 120 Piemontesern und 85 Salzburgern ihr weniges Brod theilte. Aber das größte Unglück, das sie treffen konnte, brach am 3. August 1690 über sie herein. An einem Sonntag Abend gegen 6 Uhr entstand im Hause des Mezgers J. J. Eisele, in der Gegend des jetzigen Marktplatzes, beim Schmalzaussieden eine Feuersbrunst, die so furchtbar um sich griff, daß bis Nachts 12 Uhr die ganze Stadt innerhalb der Ringmauern, mit Ausnahme des Fruchtkastens, der lateinischen Schule und des Öthlinger Thores, in Asche gelegt war. Die Glocken auf dem Kirchthurme fiengen von selbst an zu tönen, bis sie herabfielen, und mit der Kirche, wovon nur der Chor gerettet werden konnte, ging auch das Widerholdsche Monument und das Archiv in den Flammen auf. Nur die Vorstädte mit dem Schlosse wurden erhalten. In jenen suchten die Bürger Unterkunft und hier wurden die Rathssitzungen gehalten; der Gottesdienst aber hatte in der Dürnitz im Schlosse statt. Erst am 10. August soll das Feuer gänzlich erloschen seyn, worauf die Gassen zu räumen begonnen wurde. Die, übrigens nicht genau vollzogene, neue Bauordnung der Stadt ist vom 11. Sept. 1690. Nach ihr mußten alle Straßen nach ausgesteckten Linien angelegt und diesen gemäß die Häuser gebaut werden. Diese sollten gleiche Stockwerke und Fenster und steinerne Erdgeschosse erhalten. Ausserdem sollten nicht nur die Vorschriften der allgemeinen Bauordnung eingehalten, sondern auch die Scheunen in die Vorstädte verlegt, die Giebel gegen die Straße gerichtet und überall 3 Schuh Winkelrecht gelassen werden. Durch Beisteuern von Seiten der herz. Kammern und von Privaten wurde die Stadt in den Stand gesetzt, die Kirche sobald herzustellen, daß am 24. November 1691 darin wieder gepredigt werden konnte. Das Rathhaus aber konnte erst 1721 wieder zu bauen angefangen werden. Durch dieses schwere Unglück tief erschüttert, beschloß die Stadt, den Trauertag alljährlich durch einen besondern, in der Stunde des Brandausbruches zu haltenden, Gottesdienst zu

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Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Kirchheim. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1842, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAKirchheim_161.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)