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vorgenommene Abbruch des nördlichen Seitenschiffs das Gebäude verunstaltet. Ungeachtet der vielen Veränderungen und Erweiterungen, dergleichen eine im Jahre 1627 der bekannte Baumeister Heinrich Schickard vornahm (v. Gemmingen Schickards Lebensbeschr. 17), hat sich auf der südlichen Langseite des Schiffs die äußere Wulst des ursprünglich rundbogigen Eingangs noch erhalten, während das Innere desselben in eine Spitzbogenthüre umgewandelt wurde; die bei dieser Veranlassung herausgenommene Lünette ward über eine kleine Thüre eingemauert; sie ist in zwei gleiche Hälften getheilt und enthält in jeder derselben eine roh gearbeitete Rosette; um das Ganze steht mit lateinischen Lettern: „Hic lapis ornatus templum Nicomedis honorat illum quivis homo rogitet suo pectore prono quod delicta sibi demat pro nomine Christi.“ Der erst später im germanischen Styl angebaute Chor ist viel höher als das Schiff und hat je zwischen zwei Strebepfeilern dreitheilige, in den Bogenfeldern mit schönem Maßwerk gefüllte Spitzbogenfenster. Dasselbe wurde nach oben angeführter Chronik 1515 unter der Regierung Herzogs Ulrich von einem Baumeister Jacob Halltmayer erbaut. An die Außenseite des Chors wurde ein Grabstein, den man im Jahre 1821 im Schutt auf dem Kirchhof fand, eingemauert; auf demselben steht: „Als man zahlt 15 und 4 Jar (1504) starb der ersam Her Steffan Capplan, dem Got gnedig sei.“

Der viereckige Thurm ist in seinen unteren Theilen massiv und mit schmalen, gedrückten Spitzbogenfenstern versehen; die auf ihm hängenden drei Glocken sind aus neuerer Zeit. Im Innern der Kirche haben sich die rundbogigen Arcaden, welche von viereckigen, an den Ecken abgestutzten, Säulen getragen werden, erhalten; auch stammt der Taufstein noch aus der Zeit der Erbauung der Kirche. An der Nordseite stehen ausgerichtet schöne, in einem edlen, germanischen Geschmack ausgeführte Chorstühle von 1529. Von dem Langhaus führt ein spitzbogiger Triumphbogen in den mit einem Netzgewölbe versehenen Chor, dessen Schlußsteine in der Richtung von Westen nach Osten folgende Bilder darstellen: 1) das Wappen von Tübingen, 2) das Brustbild eines Bischofs, 3) das württemb. Wappen, 4) der heil. Nicomedes (Schutzpatron der Kirche) mit der mehrschlingigen Geißel in der Rechten, 5) wie 3) und 6) Maria mit dem Christuskinde. An den im Chor stehenden, sehr alten, einfach gehaltenen Chorstühlen ist das württembergische Wappen mit dem Jägerhorn über dem Helm, aus dem 15. Jahrhundert, und ein weiteres, mit einer Axt in dem Schilde, eingeschnitten. An der Orgelbrüstung hängt ein 1/3 lebensgroßes, sehr

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Eduard Hallberger, Stuttgart 1855, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHerrenberg_207.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)