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einem nachbarlichen Gruß, und ließ den Käse übergeben. Die Großgartacher dankten und ritten dreimal um die Kirche herum und mit der duftenden Spende nach Hause. Hier hatte sich bereits die übrige Jugend in einem Wirthshause versammelt. Die Mädchen hüllten den Käse in bunte Tücher, mit denen er an einem Birkenstämmchen befestigt wurde, um welches auch noch Kränze und Bänder flatterten. Der Reiter, welcher den Hof zuerst erreicht und den Käse dort in Empfang genommen hatte, hielt nun die von den Händen der Mädchen geschmückte Maie, wie eine Standarte, stolz auf dem Rosse sitzend, empor, die übrigen Reiter folgten, und so wurde der Käse zur Schau im Flecken herumgetragen. Nach diesem Umritte erhielten der Pfarrer und der Schultheiß Stücke vom Käse, der Rest wurde Nachmittags von der versammelten Jugend im Wirthshause verzehrt.

Manchmal veranlaßte der Käsritt auch Streitigkeiten, den Großgartachern war der Käse nicht immer groß genug, und der Pater Pfleger meinte, es sollte eine größere Anzahl Reiter herbeigallopirt sein, um im stattlicheren Zuge seine Kirche zu begrüßen. Ein ander Mal waren die Reiter gar mit Gewehren gekommen, so daß der Pater feierlich gegen einen solchen Eingriff in das Territorialrecht protestirte. Als im Jahre 1744 der Kalender der Protestanten dem Pfingstmontag den 15. Mai angewiesen hatte, und die Großgartacher an diesem Tage den Käse holen wollten, so berief sich der Pater Pfleger auf seinen Gregorianischen Kalender, wornach sie erst acht Tage später an seinem Pfingstmontag zu kommen hätten. Die Bursche, die sich geschämt hätten, wenn sie mit leerer Hand zu den Mädchen nach Hause gekommen wären, baten aber dießmal freundlicher als je den geistlichen Herrn um den Käse, und der war nun auch so gefällig und nachbarlich, ihnen dießmal auch acht Tage früher den Käse zu verabreichen, nach welchem schon so mancher Mund gewässert hatte.

Weil jedoch das Wettrennen nach dem Käse Rosse und Reiter in Gefahr gesetzt, auch manchmal die Felder des Hofes beschädigt und die Jugend zu Muthwillen und Ausgaben im Wirthshause verleitet hatte, so ward im Jahre 1836 dieser Belustigung der Jugend, welche den Burschen den Schimpfnamen „Kasbuben“ bei den Nachbarn eintrug, ein Ende gemacht durch einen Vertrag, wornach der Gemeindepflege 40 fl. bezahlt wurde und die Käseabgabe aufhörte.

Noch vorher hatte der Reichsdeputations-Receß vom 25. Febr. 1803 der Herrschaft der Hospitalbrüder auf dem Hofe ein Ende gemacht. Der Churfürst von Bayern erhielt nämlich unter anderen Entschädigungen die Reichsstadt Memmingen sammt dem Heiligengeisthospital

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Heinrich Titot: Beschreibung des Oberamts Heilbronn. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1865, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHeilbronn_293.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)