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Der längste Stein bin ich bekannt
Zu Heilbronn das Wahrzeichen genannt,
An Länge 3 Zoll, 24 Schuh
An Breit’ und Dick’ 2 Schuh ich thu’,
Bin auch zur Zierd hieher geleit
Und den Wächtern zum Sitz bereit.

Die oberen Stuben im östlichen Anbau haben getäferte Decken mit Kassetten, die gegen den Rathhof mit der Jahrzahl 1596.

Der Rathsaal erhielt im Jahre 1779 seine jetzige Ausstattung und wurde 1834, 1856 und 1864 restaurirt. Die Decke und Wände haben Festons und Embleme der Rechtspflege, Künste u. s. w. aus Gyps geformt. In der Mitte der Decke ist ein gutes Ölgemälde von Hofmaler Morff aus Stuttgart. Es stellt die Gerechtigkeit mit der Wage vor, dabei die Gerechten mit Zufriedenheit und herrlichen Früchten belohnt; auf der andern Seite einen düsteren Abgrund, in welchem Verdammte zähneknirschend und gefoltert von Schlangenbissen ihr Dasein verwünschen.

Dieses Gemälde kostete 150 fl., die Stuckatur-Arbeiten 140 fl.

Merkwürdig ist das Uhrwerk, dessen drei Ziffertafeln die mittlere Façade des Gebäudes einnehmen.

Auf der untersten befinden sich die sieben Wochentage durch die Bilder der Sonne, des Mondes, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn dargestellt; im weiteren Kreise stehen die Zeichen des Thierkreises mit einer Gradeintheilung. Auf der mittleren Ziffertafel deuten zwei Zeiger die Stunde und Minute an. An beiden Seiten stehet je ein Engel, der eine bläst in seine Posaune kurz vor dem Stundenschlage, der andere zählt mit einem Scepter die einzelnen Glockenschläge, und drehet seine Sanduhr, wenn die Stundenglocke ausgeschlagen hat. Unter der Stundentafel stehen zwei vergoldete Widder einander gegenüber, die sich mit jedem Glockenschlage vorn erheben und wieder niedersinken.

Die oberste Tafel zeigt die Phasen des Mondes dadurch an, daß er sich hinter einer Wolke verbirgt, oder mehr oder weniger sichtbar ist.

Ganz oben befindet sich die Glocke, an welche Engel mit eisernen Armen abwechslungsweise die Stundenzahl anschlagen.

Unter den Widdern steht ein Hahn, der, wenn die Glocke 3, 7 und 11 geschlagen, seine Flügel schwingt und krähet.

Unter dem Uhrwerk enthält eine Tafel aus Thonschiefer folgende Reime:

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Titot: Beschreibung des Oberamts Heilbronn. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1865, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHeilbronn_179.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)